Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Unbewusste vielmehr das unerkannte Band , das jede Beziehung umschließt und sowohl die Äußerung als auch die Zurückhaltung der Subjektivität und des individuellen Unbewussten beider Partner innerhalb dieser spezifischen Beziehung durchdringt. So gesehen, ist das relationale Unbewusste ein Konzept, das die Zusammenführung psychoanalytischer Konzeptualisierungen intrapsychischer und intersubjektiver Phänomene innerhalb eines theoretischen Bezugsrahmens ermöglicht, der beide Perspektiven enthält und die ihnen inhärente wechselseitige Verknüpfung herausarbeitet“ (ebd., S. 72). III. Cb. Unbewusste Verarbeitung: eine zeitgenössische selbstpsychologische Perspektive Die Selbstpsychologie, eine weitere moderne amerikanische psychoanalytische Theorie, erkennt das Postulat der unbewussten psychischen Aktivität, das Freud in seiner Formulierung des dynamischen Unbewussten zur Grundlage der Psychoanalyse erhob, ebenso an wie in jüngerer Zeit auch die Nachweise des impliziten (unbewussten oder nicht bewussten) Lernens und des impliziten Gedächtnisses. Letzteres erfuhr im Bereich der unbewussten Verarbeitung eine exponentielle Erweiterung (siehe z.B. Boston Change Process Study Group 2008; Clyman 1991; Fosshage 2005, 2011a; Grigsby und Hartlaub 1994; D.N. Stern et al. 1998). Unbewusste und bewusste Verarbeitung – einschließlich der Funktionen des Wahrnehmens, Kategorisierens, der Konsolidierung von Erinnerungen und des Lernens, der Regulation wechselnder motivationaler Prioritäten (Intentionen) und Affekte sowie der Konfliktlösung – erfolgen in unseren Wachstunden stets gleichzeitig. Die unbewusste Verarbeitung setzt sich während des Schlafes in Form des REM- und des Non-REM-Träumens fort (Fosshage 1997). Sowohl unbewusste als auch bewusste Verarbeitung werden immer durch die relationalen Felder geprägt , innerhalb deren sie auftauchen. Wie bekommt man Zugang zur unbewussten Verarbeitung? Freud (1900) entwickelte die Methode des freien Assoziierens und fand in den Träumen die „Via regia zur Kenntnis des Unbewussten“ (S. 613). Die Ich-Psychologen betonten die unbewussten Anteile der Konflikte und Abwehrmechanismen, die latent in bewussten Äußerungen auftauchen. Seit etlichen Jahren haben die Selbstpsychologen den Horizont ihres Zuhörens erweitert, so dass sie es, statt lediglich auf den Konflikt, nun auch auf explizite und implizite, verbale und nonverbale Kommunikationen von Absichten, Bedeutungen und von prozeduralem Wissen ausrichten. Empathisches Zuhören ist „einfach“ fokussiert auf diese Kommunikationen, die es dann im Bezugsrahmen des Patienten zu verstehen gilt. „Empathie und Beurteilung“ durchdringen einander gegenseitig (Goldberg 1999); dennoch versucht der Analytiker, im Erleben des Analysanden zu sein und nach Möglichkeit aus der Erfahrungswelt des Analysanden heraus zu Rückschlüssen und Einschätzungen zu gelangen. Die Verwendung der „auf den Anderen konzentrierten“ Perspektive des Zuhörens/Erlebens

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