Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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wurde das Unbewusste herabgestuft zu einer bloßen Eigenschaft des Unbewusst-Seins“ (S. 491). Matte-Blanco kombinierte Freuds Überlegungen mit mathematischen Sätzen und entwickelte so das Konzept der unbewussten Logik (Bi-Logik), die zwei Prinzipien unterworfen ist: 1. dem Prinzip der Generalisierung, was erklärt, dass die Logik des Unbewussten im Gegensatz zur Logik des Bewussten Individuen nicht als Einheiten betrachtet, sondern als Mitglieder stetig wachsender Gruppen (Klassen, Mengen). Die Verschiebung verläuft nach ebendiesem Prinzip. 2. Dem Prinzip der Symmetrie, dem gemäß das Unbewusste das Gegenteil/die Kehrseite einer jeden Beziehung stets auf gleiche Weise behandelt, so als seien beide identisch. Die Zeitlosigkeit ist ein Ergebnis dieses zweiten Prinzips. Beide Prinzipien operieren mit Verdichtung und Widerspruchsfreiheit. Matte-Blanco betonte, dass Freud dieses „Reich des Unbewussten“ als die eigentliche psychische Realität betrachtete. In diesem Reich folgt die psychische Aktivität einer Bi-Logik. Das heißt, das Prinzip der Asymmetrie in Bezug auf Individuen und die Unterschiede zwischen ihnen, welches die Alltagslogik, das wissenschaftliche Denken und sowohl das Bewusstsein wie auch den Freud’schen Sekundärvorgang charakterisiert, operiert gleichzeitig mit dem Prinzip der Symmetrie, dem Freuds Primärvorgang gehorcht. Matte-Blanco sah in der Verschiebung die Grundlage der Projektion, Sublimierung, Übertragung, der Wiederkehr des Verdrängten und der Spaltung von Objekten. Wenn ein Individuum verschiebt, behandelt es das ursprüngliche primitive Objekt und das Objekt, auf das es verschiebt, als Elemente einer Klasse mit einem bestimmten Attribut, das dem bewussten Denken nicht unbedingt ersichtlich sein muss, aber vom Unbewussten wahrgenommen wird. Wenn beispielsweise jemand seinen Chef als gefährlichen Vater erlebt, können wir auf der Grundlage der symbolischen Logik sagen, dass sein Unbewusstes den Chef und den Vater als Elemente ein und derselben Klasse behandelt; eine Klasse ist die Menge all jener Individuen, welche die Attribute oder Eigenschaften besitzen, die die Klasse definieren. Wann immer eine Menge unendlich in dem Sinne ist, dass die Zählung ihrer Elemente niemals an ein Ende gelangt, wird der Teil zum Äquivalent des Ganzen: Ebendies geschieht in der symmetrischen Logik und in der Aktivität des Unbewussten. Matte-Blancos bi-logische Strukturen unterteilen den gesamten Bereich des psychischen Lebens in Schichten, in denen der asymmetrisch-teilbare und der symmetrisch-unteilbare Modus der Denkprozesse einen je unterschiedlich hohen Anteil besitzt. Diese Konzeptualisierung berücksichtigt Freuds spätere Schriften über ein nicht verdrängtes Unbewusstes, dessen „primitive und irrationelle Charaktere“ (Freud 1933, S. 81) die Aktivität des Es kennzeichnen (Freud 1923a, 1926). Sie besitzen die gleichen Attribute, die zuvor dem Primärvorgang und dem Unbewussten-als-System zugeschrieben wurden. Ausgehend von Freuds Weiterentwicklungen des Konzepts, unternahm Matte- Blanco eine Neuformulierung der Gesetze des Unbewussten, die er nun durch die Linse der mathematischen Logik betrachtete. Er stellte diesen Gesetzen die Gesetze der aristotelischen wissenschaftlichen Logik gegenüber, die in die bewusste psychische

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