Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Aktivität (Sekundärvorgang) eingebettet sind. Im Extremfall konstituiert die symmetrische Logik der tiefsten Schichten des strukturellen, nicht verdrängten Unbewussten einen unteilbaren symmetrischen Modus des Seins, der durch Zeit- und Raumlosigkeit charakterisiert ist. Auf diese Weise erörterte Matte-Blanco das Problem des psychischen Raumes und seiner Multidimensionalität im Kontext von Objekt und innerer Welt, Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft. Matte-Blanco betrachtete die psychischen Fakten der Zeit- und Raumlosigkeit als den Ausdruck der unbewussten Logik, die das Ganze mit jedem seiner Teile gleichsetzt und umgekehrt. Entsprechend formulierte er in seiner Re-Analyse des Falls „Schreber“ (Freud 1911a) Freuds Gegensätzen zwischen Innen und Außen sowie psychischer und materieller Realität in der Terminologie seiner Konzepte der Bi-Logik und Infinitisierung (Matte-Blanco 1988). Henry Rey (1976) schildert in seiner Besprechung von Matte-Blancos Buch The Unconscious as Infinite Sets: An Essay in Bi-Logic ein klinisches Beispiel, anhand dessen Matte-Blanco die Nützlichkeit seiner Überlegungen für ein tieferes Verständnis der psychotischen Gedankenkonstruktion illustriert. Das Beispiel betrifft eine schizophrene Frau, der Blut aus dem Arm entnommen worden war. Danach entwickelte sie Wahnvorstellungen und klagte abwechselnd darüber, dass man ihr Blut aus dem Arm entnommen bzw. ihr den Arm abgenommen habe. Dies war ein Ausdruck des bekannten schizophrenen Denkens, in dem Identität/Äquivalenz und vollständige Reziprozität und Austauschbarkeit zwischen dem Teil und dem Ganzen vorherrschen. In seinem zweiten Buch, „Thinking, Feeling and Being“ , arbeitete Matte- Blanco (1988) seine Überlegungen zum Unbewussten, seinen Gesetzen und ihrer Anwendung in der psychoanalytischen Arbeit weiter aus. Die Unendlichkeit des Unbewussten und das Konzept der Kombinationen unterschiedlicher Anteile des asymmetrischen und des symmetrischen Denkens, die eine Schichtung zwischen den bewussten und den tiefsten unbewussten Ebenen widerspiegeln, bahnt einem neuen Verständnis der Psyche den Weg. Das tiefste Unbewusste , das Freud als unergründlich bezeichnete, enthält lediglich Symmetrie , das heißt, alles wird mit allem anderen gleichgesetzt. Dies ist der absolute „unteilbare Modus“. Auf diese Weise kann Freuds Todestriebkonzept als ein Aufhören des Denkens neu formuliert werden: Wenn alles genauso ist wie alles andere, kann es kein Denken geben. Wenn umgekehrt in einem Zustand absoluter Asymmetrie alles anders ist als alles andere, keine Verbindungen oder Verknüpfungen hergestellt werden können und jedes Objekt zu einer in sich abgeschlossenen Einheit wird, sind Denkprozesse ebenfalls unmöglich. Matte-Blanco zog den Schluss, dass psychische Prozesse nur dann stattfinden können, wenn sowohl asymmetrische als auch symmetrische Denkprozesse möglich sind. Die Konzepte des Bewussten und des Unbewussten werden im Kontext der Bi-Logik und der Schichtung des psychischen Apparates neu formuliert. Dies bewog Matte-Blanco zu einer weitreichenden Untersuchung von Kleins Konzept der projektiven Identifizierung, und zwar unter dem Blickwinkel von Symmetrie und Asymmetrie. So gesehen, erweist sich

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