Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Eine unbewusster Kommunikationen erfolgte indes mit der Entdeckung der projektiven Identifizierung, die Klein 1946 erstmals beschrieb. Zunächst verstand man den Mechanismus als eine Phantasie des Patienten, doch mehrere Autoren, vor allem Bion, Heimann und Racker, haben das Konzept weiterentwickelt. In dieser Phantasie legt der Patient etwas, das er in sich selbst nicht zu ertragen vermag, in den Analytiker hinein und befreit sich dadurch von diesem Aspekt seiner Persönlichkeit. Auch wenn die Wirkung nur eine vorübergehende ist, kann der Patient via projektive Identifizierung nicht nur den unerwünschten psychischen Inhalt loswerden, sondern auch einen Anteil seiner selbst. bedeutsame Ergänzung des Verständnisses Das Ergebnis aber ist eine Verarmung oder Ausleerung seiner eigenen Psyche. In seinem Aufsatz „Angriffe auf Verbindungen“ hat Bion (2013 [1959]) den Kommunikationsaspekt des Konzepts ausgearbeitet. Projektive Identifizierung setzt einen Interaktionsprozess zwischen der Psyche des Patienten und derjenigen des Analytikers in Gang – ein Ergebnis der Absicht des Analysanden, Einfluss auf die Psyche des Analytikers zu nehmen. In seinem Buch Lernen durch Erfahrung ging Bion (1990 [1962]) noch einen Schritt weiter, indem er das Konzept einer realistischen projektiven Identifizierung formulierte, durch welche der Analytiker tatsächlich beeinflusst wird. Dazu schreibt Ogden (1980): „Projektive Identifizierung ist ein Konzept, das die Schnittstelle des Intrapsychischen und des Interpersonalen betrifft, d.h. es legt dar, wie die Phantasien eines Individuums einem anderen Individuum unter Erzeugung von Druck kommuniziert werden“ (S. 517). Zu betonen ist, dass Klein selbst zwar mit der projektiven Identifizierung als Phantasie gearbeitet hatte, die Triebe aber ihrer Ansicht nach von Anfang an das Objekt suchen. Insofern trug ihre Theorie den Keim von Bions Ausformulierung des Kommunikationsaspekts projektiver Identifizierungsvorgänge bereits in sich. Es gibt ein angeborenes, triebinhärentes Wissen um das Objekt, welches den Trieb veranlasst, das Objekt zu suchen. Bion beschrieb in seinen Schriften über Alpha-Funktion, Reverie, Container-Contained und Traumarbeit unbewusste Mechanismen der mütterlichen Psyche, die uns zu verstehen helfen, auf welche Weise nicht nur die Mutter, sondern auch der Analytiker die Entwicklung der Denkfähigkeit des Babys/des Patienten und somit seiner Fähigkeit, aus Erfahrung zu lernen, fördert. Bions Überlegungen betreffen das interpsychische Zusammenwirken. Einhergehend mit diesen Entwicklungen vertieft das Konzept der projektiven Identifizierung die Einsicht in die Gegenübertragung, indem es zeigt, dass aus ihr nicht lediglich eine unbewusste Äußerung des Analytikers spricht, wie Freud vermutete, sondern dass sie als wesentliches Instrument für die Untersuchung die analytischen Materials dienen kann. Paula Heimann und Heinrich Racker haben wichtige einschlägige Beiträge verfasst (siehe auch die Einträge GEGENÜBERTRAGUNG und PROJEKTIVE IDENTIFIZIERUNG). Heimann (1950) erläuterte, dass die Gegenübertragung aus dem unbewussten Wunsch des Patienten resultiert, Affekte, die er nicht als seine eigenen anzuerkennen oder bewusst zu erleben vermag, im Analytiker hervorzurufen. Racker (1953) führte die Gefühle des Analytikers in erster Linie darauf

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