Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Beitrag, den projektive und introjektive Identifizierungen zu ihrer Struktur leisten. Zum Konzept der unbewussten Phantasie schreiben sie: „[…] wichtiger noch ist, dass man sie auch nicht als die Summe zweier innerer Situationen betrachten kann. Sie ist vielmehr etwas, das zwischen den beiden erzeugt wird , innerhalb der Einheit, die sie im Moment der Sitzung bilden, etwas, das sich radikal von dem unterscheidet, was jeder von ihnen als Einzelperson ist […] Wir definieren Phantasie in der Analyse als diejenige dynamische Struktur, die in jedem Moment dem bi-personalen Feld Bedeutung verleiht “ (ebd., S. 806f.). Als sehr einflussreich erwies sich das Konzept des analytischen Feldes für Antonino Ferro (1998, 2004, 2009). Unter Berufung auf Mom, Pichon-Riviere und das Ehepaar Baranger betont er, dass direkt mit dem ersten telefonischen Kontakt und sogar schon vorher die Organisation unbewusster Kommunikationen in der Phantasie des Patienten, des Analytikers und des Paares einsetzt. Ferro beschreibt auch sein Modell eines Zuhörens ohne Bewusstsein, welches das analytische Feld strukturiert. Diese tiefe emotionale Beteiligung des analytischen Paares bewirkt durch projektive Identifizierung, dass der Analytiker in der analytischen Sitzung über das Material des Patienten träumt. Der gemeinsame Traum offenbart sich ihm durch seine Reverie. Gemäß einem von Ogden ausformulierten Konzept Bions ist die Reverie Ausdruck des Unbewussten . Während eines gemeinsamen Traumes finden gemeinsame Reverien statt; sie beginnen mit einer unbewussten Kommunikation und werden, indem die Dyade sie bearbeitet, bewusst gemacht. Auf einem anderen Kontinent und unabhängig von den lateinamerikanischen Theoretikern wurde das Konzept des analytischen Dritten entwickelt. Ursprünglich wurde es im Jahre 1975 von Green formuliert, der 2008 schrieb: „Das analytische Objekt ist weder ein inneres (das Analysierte oder der Analytiker) noch ein äußeres (der eine oder der andere), sondern etwas zwischen den beiden“ (Green 2008, S. 231). In seinem analytischen Objekt klingt zweifellos Winnicott nach, dessen Einfluss auch in Thomas Ogdens Postulat eines analytischen Dritten unverkennbar ist. Winnicotts (1960) berühmte Aussage: „So etwas wie ein Baby ohne seine Mutter gibt es nicht […] wann immer man einen Säugling sieht, sieht man auch mütterliche Fürsorge“ (S. 286), wird bei Ogden zu: „So etwas wie einen Patienten ohne den Analytiker gibt es nicht.“ Ogden arbeitet auch mit Winnicotts Konzept des potentiellen Raumes als Vorläufer seiner Sichtweise des intersubjektiven Raumes : „Der Analytiker versucht, den spezifischen Charakter des von Sekunde zu Sekunde sich wandelnden Wechselspiels zwischen seinem eigenen subjektiven Erleben und dem subjektiven Erleben des Analysanden sowie dem intersubjektiv erzeugten Erleben des analytischen Paares (das Erleben des analytischen Dritten) zu erkennen, zu verstehen und für sich selbst und für den Analysanden verbal zu symbolisieren […] man kann durchaus behaupten, dass das zeitgenössische psychoanalytische Denken sich einem Punkt annähert, an dem man nicht mehr ohne Weiteres von dem Analytiker und dem Analysanden als getrennten Subjekten, die einander als Objekte sehen und erleben, sprechen kann“ (Ogden 1994, S.3). Ausgehend von Bions ursprünglichen Überlegungen plädiert Ogden für eine

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