Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Theorie der Transformation der Träume , für welche das Reverie-Konzept ein wichtiges Instrument darstellt. Auf Sandler verweisend, schreibt er: „Wo unbewusste Traumarbeit stattfindet, findet auch unbewusste Verständnisarbeit statt“ (ebd., S. 40). In diesen Worten klingt Grotstein (2000) nach: „Wo ein unbewusster Träumer ist, der den Traum träumt, ist auch ein unbewusster Träumer, der den Traum versteht“ (S. 5). Seither wurden ähnliche theoretische Entwicklungen von zahlreichen Autoren ausgearbeitet, zum Beispiel von Levine (2013), Grotstein (2000, 2005), Brown (2011), Cassorla (2013) und Ogden (1994, 2005). Ein Autor, der mit dem Konzept des Traumes als unbewusste Kommunikation intensiv gearbeitet hat, ist Civitarese. Er schreibt in seinem Buch The Necessary Dream : „Auf diese Weise erhält das Paradigma der Träume eine noch zentralere Rolle als in der klassischen Theorie. Da wir den Traum als das Resultat einer Kommunikation zwischen zwei Unbewussten verstehen, hören wir ihm als eine intersubjektive Hervorbringung . Wir interpretieren jede Sitzung, als wäre sie ein langer gemeinsamer Traum, und begreifen die Analyse insgesamt als einen Austausch von Reverien“ (Civitarese 2014, S. XIII). Unsere heutigen Kenntnisse über die unbewusste Kommunikation erschließen der künftigen psychoanalytischen Forschung auf allen Kontinenten ein weitgespanntes Territorium. Es umfasst auch das aktuelle Interesse an Konzeptualisierungen des Inter- Psychischen , das definiert ist als „eine funktionale, prä-subjektive Ebene, auf der zwei Personen mittels ‚normaler‘ kommunikativer projektiver Identifizierungen innere Inhalte und Erfahrungen miteinander austauschen können“ (Bolognini 2016, S. 110).

IV. DAS UNBEWUSSTE UND INTERDISZIPLINÄRE FORSCHUNG

IV. A. Das Unbewusste in den Neurowissenschaften „ Es ist ein unerschütterliches Resultat der Forschung, dass die seelische Tätigkeit an die Funktion des Gehirns gebunden ist wie an kein anderes Organ. […] Es klafft hier eine Lücke, deren Ausfüllung derzeit nicht möglich ist“. (Freud 1915c, S. 273) 65 Jahre, nachdem Freud seine Abhandlung „Das Unbewusste“ veröffentlichte, in der er zwei Säulen der Psychoanalyse benannte, nämlich das Postulat eines unbewussten Seelenlebens und die Theorie von zwei Prinzipien des psychischen Geschehens, des Primär- und Sekundärvorgangs, publizierte der Psychoanalytiker, Psychologe und Neurowissenschaftler Howard Shevrin eine Synthese der Forschung zur subliminalen Reizwahrnehmung und -verarbeitung. Er vertrat die These, dass das Unbewusste eine notwendige Annahme einer jeden Psychologie sei (Shevrin und Dickman 1980). Erste Versuche innerhalb der experimentellen Kognitionspsychologie

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