Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Langzeitstudien die frühe repräsentationale Welt. Toth, Cicchetti, Rogosch und Sturge- Apple (2009) gelangten in ihrer Studie über „Maternal Depression, Children’s Attachment Security, and Representational Development“ zu dem Schluss, dass die frühen negativen Repräsentationen der Mutter/des Vaters und des Selbst im Laufe der Entwicklung erhalten bleiben und wahrscheinlich sogar intergenerationell weitergegeben werden. Ellman (2008) schreibt unter Berufung auf Freud (1915), dass die frühesten Repräsentationen als Sachvorstellungen ohne symbolische Valenz enkodiert werden. Aktivitäten werden zunächst mit denotativen und nicht mit konnotativen Valenzen assoziiert (Cassirer 1953; Langer 1948). Auch wenn die Sachvorstellungen nicht-symbolisch sind, können sie als fundamentale Motivatoren komplexer konfliktbesetzter Reaktionen dienen. Dieses theoretische System versteht sie als Mitursache der Wiederholungen, die gewöhnlich in Kompromissbildungen enthalten sind. Weinstein (2007) wiederum sieht die überdauernden Auswirkungen der Bindungsbeziehung nicht in der Erzeugung von Schablonen des Selbst-mit-der- Anderen (Fonagy und Target 2002), sondern in dem prägenden Einfluss, den sie auf die neurobiologischen Systeme der Stressregulation und auf die Steuerung der Aufmerksamkeit ausüben; die Bindungsbeziehung verändert auch die Grenzwerte der Lust- und Unlusterfahrung. „Wenn die Bindungsbeziehung während der gesamten Kindheit im Gedächtnis abrufbar bleibt und das Rohmaterial bildet, auf dem die phantastischeren Konstruktionen der infantilen Sexualität beruhen, dann werden auch diese zu einem gewissen Grad durch die verbesserten kognitiven Fähigkeiten und die sich verändernden zonalen Erregungen verändert. Die […] Narrative über das Selbst werden weiterhin die Lust-Unlusterfahrungen beeinflussen und die Art, wie die ursprünglichen Bindungspersonen wahrgenommen werden, verändern“ (Weinstein 2008, S. 181). Zusammen mit Shevrins (2002) psychoanalytischer Interpretation der neurowissenschaftlichen Studien von Fabiani, Stadler und Wessels (2000) über „veridikale Erinnerungen“, die eine „sensorische Signatur“ hinterlassen, stimmen diese theoretischen Überlegungen mit der klinischen Beobachtung überein, dass die frühesten, präsymbolischen Lebenserfahrungen/-ereignisse durch psychoanalytische (re)konstruierende Arbeit mit Prosodie, Träumen, Phantasien, Übertragungsinszenierungen symbolisierbar gemacht werden können. Dies ist für Patienten mit posttraumatischer Symptomatik besonders relevant (Mancia 2006; Papiasvili 2014, 2015). IV. Ab. Biologische Korrelate von Angststörungen, Panikstörung und Phobien sowie der Borderline-Persönlichkeitsstörung Studien, die psychoanalytische und neurobiologische Sichtweisen der Panikstörungen und Phobien zu integrieren versuchen, konzentrieren sich auf die neuroanatomischen Schaltkreise, die für das Paradigma des subliminalen Lernens (und Verlernens) relevant sind. Dessen Grundlage ist die klassische Konditionierung oder

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