Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Auf der Grundlage einer Kombination von Freuds Verständnis des Primärvorgangs mit mathematischen Lehrsätzen nimmt man an, dass die Logik des Unbewussten zwei Prinzipien gehorcht. Da wäre zum einen das Prinzip der Generalisierung, welches erklärt, dass die Logik des Unbewussten anders als die bewusste Logik Individuen nicht als distinkte Einheiten betrachtet, sondern als Mitglieder unendlicher Mengen; und zweitens das Prinzip der Symmetrie, das die Eigenschaft des Unbewussten bezeichnet, Beziehungen und ihr Gegenteil/ihre Kehrseite zu behandeln, als seien sie identisch. Man nimmt an, dass die bewusste und die unbewusste Logik gleichzeitig aktiv sind und die Psyche daher bi-logisch arbeitet . Auf der Grundlage von Freuds Schriften und unter Einbeziehung konzeptueller Weiterentwicklungen der Übertragung, Gegenübertragung und projektiven Identifizierung haben lateinamerikanische Analytiker das Konzept der analytischen Situation als dynamisches Feld eingeführt. Überzeugt von dem zutiefst intersubjektiven Charakter der analytischen Situation haben sie mit Hilfe des Reverie-Konzepts eine Transformation der Traumtheorie erarbeitet. Das Träumen – postuliert als kontinuierlich aktive psychische Funktion – besitzt in den heutigen Darlegungen der unbewussten Kommunikation einen noch zentraleren Stellenwert als in der klassischen Theorie. Da man es als das Ergebnis einer Kommunikation zwischen zwei Unbewussten versteht, begreift man jede Sitzung als einen langen, gemeinsamen Traum. Unter diesem Blickwinkel wird die Analyse insgesamt zu einem Austausch von Reverien. Im Großen und Ganzen zeichnen sich inmitten der Divergenzen zwischen und in den theoretisch vielfältigen regionalen Trends, von denen multiple Dimensionen unbewusster Prozesse, Inhalte und Strukturen einschließlich ihrer Entstehungs- und Veränderungskontexte je unterschiedlich gewichtet werden, Annäherungen in mehreren Punkten ab: Das Konzept wird weiterhin benötigt: Die meisten Psychoanalytiker stimmen darin überein, dass das Konzept des Unbewussten unverzichtbar ist als Instrument zum Verständnis einer grundlegenden Realität der menschlichen Psyche, nämlich jener „Repräsentationsmodi“, die gänzlich unabhängig von den Regeln der sekundärprozesshaften Kognition operieren. Das Unbewusste wird im Allgemeinen als unvermeidliches – sowohl einzigartiges als auch universales – Nebenprodukt psychischer „Unvereinbarkeiten“ zwischen individueller Erfahrung und kollektivem Leben verstanden. Während man annimmt, dass sein Kern in der Kindheit auftaucht oder „angelegt“ ist, kann eine überwältigte Psyche unter traumatischen Bedingungen auch im späteren Erwachsenenleben neue Regionen des unbewussten Funktionierens erzeugen. Das Konzept des Unbewussten bleibt ein Eckpfeiler in zahlreichen Denkschulen, allerdings ohne Reifizierung und in sich wandelnden Kontexten. Prozess: Der Erforschung unbewusster Prozesse, unbewusster „Verarbeitung“ und unbewusster Strukturen wird zumeist die gleiche theoretische und klinische Bedeutung beigelegt wie der traditionellen Analyse unbewusster Inhalte. Aktuell

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