Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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die projektive Identifizierung als eine bi-logische Struktur, die sowohl symmetrisches als auch asymmetrisches Denken enthält. Matte-Blancos Symmetrisierung und Infinitisierung wurden auf klinischer Ebene von Erick Rayner (1981, 1995a, 1995b), dem Gründer der Londoner „Bi-Logic Group“ , erörtert. Er erklärt Matte-Blancos Theorie der Emotionen und die Theorie der unbewussten Logik und arbeitet sie weiter aus. Er legt auch die Symmetrisierung im Bereich des Fühlens dar, in dem Subjekt und Objekt tendenziell ihre Grenzen einbüßen oder austauschbar werden und Affekte tendenziell „inifinitisieren“. Die Symmetrisierung kann keine Art psychischer Entwicklung zulassen; die einleuchtende Konsequenz ist daher ein Infinitisierungsprozess, eine endlose Wiederholung. Ein Beispiel für diese Infinitisierung der Symmetrisierung wären etwa erotische Impulse, die sich unter dem Druck starker Ängste immer weiter ausbreiten: Ein Mann, der mit einer „Menge“ von Frauen nacheinander oder gleichzeitig in einer wahren „Eroberungsraserei“ auf jede vorangegangene leidenschaftliche Begegnung mit einer Frau „aus der Menge“ die nächste Begegnung mit neuen Frauen folgen lassen muss. Nach der Ekstase, in der er sich mit der Frau/den Frauen eins fühlt, nimmt er rasch seinen Abschied, um die nächste zu treffen; auf dieser Ebene der Symmetrisierung sind die Frauen austauschbar. Er selbst verfällt angesichts der Schönheit der Frauen in eine Art inifitisierter, hypnose-ähnlicher Trance, die als wechselseitig bestärkend erlebt wird. Bei näherer Untersuchung stellt sich heraus, dass diese erotische Struktur als ein lebensrettendes Ventil für die intensiven klaustrophobischen Ängste dient, unter denen er sowohl im beruflichen Zusammenhang als auch in seiner Ehe leidet. Doch sobald ein ekstatischer Höhepunkt verebbt, wird die beteiligte Frau gleichfalls als klaustrophobisches Objekt erlebt. Die klinische Erforschung dieser Infinitisierungen der Symmetrisierungen wirft Licht auf die Symmetrie der Rolle des Opfers und der des Räubers , die nach und nach zum Verlust der zentralen Bedeutung des erotisches Rausches führt, zu ruhigeren Beziehungen und einer entspannteren psychischen Verfassung. Die Infinitisierung ist auch Wiederholungszwang, hängt aber unmittelbarer mit der Triebäußerung, einem Bereich des Nicht-Denkens, zusammen. Matte-Blancos Konzept der unbewussten Logik betrifft die tiefste Schicht des Unbewussten, den Grund der Psyche, das nicht verdrängte strukturelle, mit somatischen Sensationen innigst verbundene Unbewusste. In diesem Kontext hat man es häufig in die Nähe von Armando Ferraris Konzept der Eklipse des Körpers verglichen (Lombardi 2000), aber auch mit Bions (1990 [1962]) Transformationsprozessen. All diese Konzeptualisierungen betonen die strukturelle Schwierigkeit, angesichts der verstörenden bio-psychischen Wucht der Emotionen weiterhin zu denken. Der Druck, den der Körper auf die psychische Aktivität ausübt, konstituiert die ersten strukturellen Elemente der Infinitisierung als eine mentale Spur im Kontakt mit dem Körper. Die von Freud beschriebene Erinnerungsspur und das Erinnerungsbild lenken die Aufmerksamkeit auf seinen „Entwurf einer wissenschaftlichen Psychologie“ (1950 [1895]) und auf die Traumdeutung (1900). Hier finden sich auch die Konzepte der Transkription, Wiederholung und Bahnung.

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