Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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unterschiedlichen Modi der Beziehung zwischen Wortbedeutung und Wortvorstellung: Während Wortbedeutung und Wortvorstellung im Sekundärvorgang integriert sind, bleiben die Bedeutung eines Wortes und seine Wahrnehmungsaspekte im Primärvorgang dissoziiert (wenn zusammenhanglose Wortbedeutungen durch eine Wortvorstellung aktiviert werden). Eine komplexe Methode einschließlich der subliminalen Präsentation von Palindromen (Wörtern oder Wortfolgen, die vorwärts und rückwärts gelesen Sinn ergeben, z.B. dog – god) mit unterschiedlicher affektiver Besetzung sowie der Messung von Angstgrad, Persönlichkeitseigenschaften und Abwehrstilen führte zu Ergebnissen, die die Hauptthese zu bestätigen schienen, dass Wörter als Wahrnehmungsstimuli (auf eine bi-direktionale Weise) verarbeitet werden können, wenn sie von der herkömmlichen Wortbedeutung dissoziiert sind. Wenn die neuartige Rückwärtsverarbeitung stattfand, aktivierten die Wörter ihr eigenes semantisches Netzwerk. Wurden die Wörter subliminal präsentiert und individuelle Unterschiede, Angst- und Verdrängungsgrad berücksichtigt, wurde die Verbindung zwischen einem emotionalen Zustand (Angstgrad) und lexikalischer Verarbeitung (Aktivierung semantischer Assoziationen) erkennbar. Die Beobachtung, dass strukturell mehrdeutige Wörter für mulitiple Bedeutungen verarbeitet werden können, hat klinische Implikationen für das Verständnis, wie sprachliche Elemente beim freien Assoziieren während der typischerweise mit der Übertragung einhergehenden Regresssion benutzt werden. Inmitten der Übertragungsregression wird die früheste Erfahrung mit Wörtern als Klängen, eingebettet in die affektive Interaktion mit der Bezugsperson, aktiviert. So werden die Wortklänge zu Trägern von Emotionen und relationaler Signifikanz, lange bevor ihre Bedeutung und semantische Signifikanz erfasst werden. Eine Regression auf diese Ebene erfolgt in Träumen, bei der Symptombildung und beim freien Assoziieren. Die Autoren ziehen den Schluss: „Wir verstehen den Pfad der freien Assoziation zur Einsicht besser, wenn wir begreifen, dass die perzeptuelle Verwendung von Wörtern auf diesen tieferen, früheren Ebenen emotionaler und relationaler Signifikanz beruht; dadurch können wir verstehen, wie Ambiguität […] in der Sprache des primärprozesshaften Denkens operiert. Dies ist besonders wichtig in Anbetracht von Freuds […] Konzeptualisierung, dass die ‚Redekur‘ zumindest teilweise durch das Verbindung der ‚Sachvorstellung‘ mit der ‚Wortvorstellung‘ operiert“ (Villa, Shevrin, Snodgrass, Bazan, and Brakel 2006, p. 134).

VIII. ZUSAMMENFASSUNG – SCHLUSS

In Nordamerika haben die Konzeptualisierung der freien Assoziation, die Anleitung zum freien Assoziieren, das Timing der Anleitung und die Verwendung des freien Assoziierens als Teil der fundamentalen Methode und Technik der Psychoanalyse im

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