Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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wie das, was er letztlich erfährt: „Prozesskenntnis“ hat Vorrang vor „Zustandskenntnis“ ; 3. Betonung auf dem Erwerb innerer Repräsentationen und Strukturen ; 4. Fokussierung auf die unbewusste Kommunikation in der Analysesitzung; 5. Priorisierung des Verstehens dessen, was in der Sitzung geschieht, statt in erster Linie in der Gegenwart nach der Vergangenheit zu suchen; 6. zu verstehen, wann die Sprache des Patienten ein Versuch ist, etwas zu tun , und wann sie ein Versuch ist, etwas mitzuteilen , ist wichtig; 7. Arbeit in der Übertragung und Gegenübertragung ; 8. Der Patient soll durch die Analyse zur Selbstanalyse hingeführt werden, statt sich auf die Identifizierung mit der Analysefunktion des Analytikers zu beschränken; 9. Die Expertise des Analytikers ist für den Prozess entscheidend; er ist aber nicht vorwiegend Experte für das, was im Patienten vorgeht, sondern seine Haltung ist in erster Linie dadurch charakterisiert, dass er dem Patienten hilft, zu seinem eigenen Denken und Wahrnehmen zu finden. Dem Erwerb psychoanalytischen Denkens liegt die These zugrunde, dass das, was in einer relativ erfolgreichen Psychoanalyse erreicht wird, nicht bloßes Wissen, sondern eine bestimmte Art des Wissenserwerbs ist. Im Vorbewussten zu arbeiten ist grenzüberschreitende Arbeit und bildet die Basis für ein Element einer neuen gemeinsamen Grundlage . Darüber hinaus ist diese Arbeit ein entscheidender Beitrag zur Hervorbringung psychoanalytischen Denkens. Die Transformation von Worten als Handlungen in symbolisches, repräsentationales Denken hilft dem Analysanden, eine psychoanalytische Denkweise als Erweiterung seiner Fähigkeit, mit Gedanken zu spielen, zu entwickeln; diese aber setzt voraus, dass die Gedanken repräsentiert werden können. Das heißt, statt in erster Linie nach vergrabenen Erinnerungen zu suchen, bemühen wir uns, das Unterrepräsentierte in Ideen zu transformieren, die repräsentiert werden können. Die Entwicklung verläuft von der Aufhebung der Verdrängung zur Transformation , vom Präkonzeptuellen (konkretistischen) und Präoperationalen zum symbolisch Repräsentierten. Bevor also überhaupt irgendeine Bedeutung gedeutet werden kann, müssen der psychische Mechanismus (Konflikt, Abwehr, Selbstheilung, internalisierte Objekte etc.) und der psychische Inhalt verbal auf eine zur Symbolisierung führende Weise repräsentiert werden . Wörter und Gedanken sind effiziente und strukturierende Zeichen dessen, was bezeichnet wird. Zu den maßgeblichen Grundsätzen des Arbeitens in der Übertragung zählt Fred Busch die Bereitschaft und Fähigkeit des Analysanden, die Deutung auf eine emotional bedeutsame Weise zu verstehen, die Übertragung anzuerkennen und ihr Raum zu geben und sie zu klären, statt zu versuchen, etwas mit ihr zu tun. Handelt es sich bei agierten Übertragungen zumeist um Wiederholungen von Phantasien und Erinnerungen, die mit internalisierten Objektbeziehungen zusammenhängen, so heißt dies doch nicht, dass jede Übertragung in diesem Sinn gedeutet werden könnte oder sollte. Seit 1912 vertrat Freud (1912b) zwei Sichtweisen der Übertragung . Heute beruft man sich zumeist auf das erste, enger gefasste Übertragungsverständnis; dem breiter gefassten Verständnis zufolge repräsentiert die analytische Beziehung die Stufe , auf welcher der Patient seine Symptome, Erinnerungen, Träume und aktuellen Erfahrungen reinszeniert. In diesem

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