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Leon und Rebeca Grinberg (1971) aus Argentinien untersuchten in ihrem Buch “Identidad y Cambio” (Identität und Veränderung) die Geschichte und Evolution der in Eriksons Identitätskonzept enthaltenen Begriffe Ich und Selbst, um „Nicht-Ich“, „Nicht-Selbst“ und verschiedene Permutationen der unbewussten Phantasie des Selbst im Ich zu konzipieren und ihre kohärente Beziehung zu systematisieren. Die Grinbergs weisen darauf hin, dass Eriksons Konzept der Identität heutzutage ebenso strategisch sei wie die Erforschung der Sexualität zu Freuds Zeiten. Das, was die primäre Identität konstituiert, führt zur Differenzierung zwischen Ich und Selbst. Zwischen Ich-Konzept und Selbst-Konzept besteht ein unverkennbarer Unterschied; zwischen ihnen ist klar zu trennen. Den Grinbergs zufolge beginnte die Erforschung der Probleme des Selbst mit Hartmanns Unterscheidung zwischen dem Ich als psychischem System und dem Selbst als Selbstwahrnehmung oder Selbstgefühl. Sie gehen davon aus, dass Hartmanns Begriff des Ichs nicht gleichbedeutend ist mit dem der Persönlichkeit oder dem des Subjekts im Gegensatz zum Objekt der Erfahrungen. Vielmehr entspricht er eher einem bewussten Selbstgefühl. Das Ich ist demnach eine Substruktur der Persönlichkeit und wird durch seine Funktionen definiert. Diese Funktionen betreffen Freuds erstes Ich, das Körper-Ich, d.h. den Einfluss, den das Körperbild auf die Differenzierung des Selbst von der Welt der Objekte ausübt, aber auch die Art und Weise, wie die Funktionen der Körperorgane einen Kontakt zur äußeren Welt herstellen und nach und nach unter die Kontrolle des Ichs geraten. Dieses Postulat hilft Hartmann, die Verwirrung zu vermeiden, die zwischen dem Selbst als einem Objekt und dem Ich als einer Organisation besteht. Das Wort „Ich“ schließt psychische Prozesse und Funktionen wie Denken, Wahrnehmung, Erinnern oder Fühlen mit ein und bezieht sich auf eine organisatorische und selbstregulierende Funktion in Bezug auf das Selbst. Die Ich- Funktionen sind verantwortlich für die Entwicklung und Realisierung der Befriedigung innerer Triebe einerseits und der Anforderungen der äußeren Welt andererseits. Das Selbst ist ein intermediäres Konzept zwischen intrapsychischen Phänomenen und interpersonalem Erleben. Die Grinbergs sehen in Hartmanns Überlegungen den entscheidenden Impetus, der Edith Jacobson zur weiteren Ausarbeitung des Selbstkonzepts veranlasste. In Jacobsons Sinn umfasst das Selbst den gesamten Körper mit libidinösen und aggressiven Trieben, aus denen der primäre Narzissmus und Masochismus hervorgehen – ein primäres psycho-physiologisches Selbst. Das sich entwickelnde Ich nimmt seine mnestischen Objektrepräsentationen in sich auf, und das Individuum lernt im Laufe seiner Entwicklung, zwischen Innen und Außen, Ich und Selbst, Ich und Objekten sowie Ich-Repräsentanzen und Selbst-Repräsentanzen zu unterscheiden. Sekundärer Narzissmus und Masochismus entsprechen somit dem Einwirken aggressiver und libidinöser Triebe auf diese Selbst- und Objektrepräsentanzen, die im Ich enthalten sind und nun von ihm differenziert werden. Die Identität hat zwei Aspekte, nämlich einen, der sich auf das Selbst, und einen zweiten, der sich auf das mit der Synthesefunktion verbundene Ich bezieht. Den Grinbergs zufolge besitzt das Selbst laut Jacobson eine zeitliche Dimension, zu der Kindheit, Adoleszenz und Erwachsenenalter und die damit zusammenhängenden Veränderungen gehören. In der psychotischen Organisation
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