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INTERSUBJEKTIVITÄT Tri-Regionaler Eintrag
Inter-Regional Editorial Board: Adrienne Harris (Nordamerika), Abel Fainstein (Lateinamerika), and Christian Seulin (Europa)
Inter-Regional Coordinating Co-Chair: Eva D. Papiasvili (Nordamerika)
I. ALLGEMEINE EINLEITUNG
Intersubjektivität als psychoanalytische Richtung stammt aus den USA und hängt mit einem theoretischen Paradigmenwechsel sowie mit einer Rekontextualisierung des klinischen Prozesses zusammen. Sie stützt sich auf zahlreiche Quellen - unter anderem, aber nicht ausschließlich, auf die Phänomenologie und die Philosophie des Strukturalismus, auf die akademische Tiefenpsychologie („Persönlichkeitspsychologie“) und auf die Säuglingsforschung innerhalb der Entwicklungspsychologie und der Kinderanalyse. Weitere Quellen sind die britischen (ursprünglich ungarischen) psychoanalytischen Autoren sowie die interpersonalen und soziokulturellen Theorien in der Psychoanalyse, der dynamischen Psychiatrie und Psychologie und verschiedene Feldtheorien. Eine unverwechselbare Auffassung der Intersubjektivität in der französischen Psychoanalyse, die sich in Frankreich und Belgien, aber auch in Teilen Kanadas und der USA und seit einigen Jahren zudem in Teilen Lateinamerikas als einflussreich erweist, entwickelte sich entlang paralleler Linien einer anderen psychoanalytischen Tradition, wenngleich Berührungspunkte festzustellen sind. Sie stützt sich auf eine spezifische Reinterpretation des deutschsprachigen Freud’schen Originalwerks und eine direkte Übersetzung Freuds ins Französische. Damit verbunden sind ein historisch bedeutsamer sozio-kultureller Kontext, für den der hohe Stellenwert charakteristisch ist, den selbst jene Analytiker der Sprache beilegen, die Lacans spezifischer dynamischer Interpretation der strukturellen Linguistik nicht folgen, und eine (von der US-Interpretation) etwas abweichende Auslegung der Feldtheorien und der britischen Autoren. Dem Urteil einiger zeitgenössischer französischer Autoren zufolge (Green 2000) repräsentieren die Intersubjektivitätstheorien, die aus den USA stammen bzw. aus dem französischen psychoanalytischen Denken hervorgingen, die Korrektur eines unter-theoretisierten/unzulänglich theoretisierten Aspekts der psychoanalytischen Theorie, jedoch keine Revision.
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