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2002) Untersuchungen über die subtilen Aspekte intersubjektiver Kommunikation waren für die klinische Begegnung in der Psychoanalyse ebenfalls relevant. Merleau-Ponty (1918-1961), dessen Werk (ebenso wie Henry Murrays „Persönlichkeitspsychologie“, die auf Stolorow einen tiefen Eindruck machte) von der Gestaltpsychologie Kurt Lewins beeinflusst war, stützte seine Philosophie auf die Einheit von Subjekt und Objekt. Das von ihm zwischen Subjekt und Objekt lokalisierte Unbewusste steht im Zentrum des Lebens in der Welt. Seine post-heideggerianische hermeneutische These, dass die Selbstkenntnis aus dem Prozess des Sich-Einlassens auf die Welt hervorgehe, beeinflusste Madeleine und Willy Barangers sowie George Kleins psychoanalytisches Verständnis der Intersubjektivität. Merleau-Pontys Konzept des verkörperlichten Subjekts steht für ein spezifisches Medium intersubjektiver Bezogenheit: der Körper als Ort, an dem das Sein und die Welt als eines manifest sind. Dies rückt Freuds untertheoretisiertes Konzept des Ichs als vor allem körperliches (Freud 1923) in den Bereich des Intersubjektiven.
II. B. Sozio-historischer Kontext in Nordamerika
II. Ba. Terminologie Zwar wird die Intersubjektivität von manchen Autoren (Schwartz 2012; Kirshner 2009) als impliziter Bestandteil des Freud’schen Behandlungsmodells betrachtet (Freud 1915, 1923), doch sie blieb „untertheoretisiert“ und fand erst 1953 durch Jacques Lacan Eingang in die psychoanalytische Terminologie. Es mag paradox erscheinen, dass der erste nordamerikanische Autor, der den Begriff in der psychoanalytischen Literatur erwähnte, Heinz Hartmann war, der Inbegriff eines Ich- Psychologen. 1956 lenkte er in seinem Artikel „Bemerkungen zum Realitätsproblem“ [„Notes on the Reality Principle“] die Aufmerksamkeit auf die „intersubjektive Validierung“ in den Naturwissenschaften (Hartmann 1972 [1956], S. 251). Die ersten US-Autoren, die den Begriff in einem dem heutigen Wortgebrauch ähnlichen Sinn benutzten, kamen ursprünglich aus der klassischen Tradition. Ihre Schriften über das Subjekt gelangten damals im Ausland zu größerer Bekanntheit als in den USA. Stanley Leavy , ein Schüler Roy Schafers, der aufgrund seiner Studien über die Sprache der Deutung mit Lacan und Ricoeur vertraut war, schrieb im Widerspruch zu der seinerzeit tonangebenden klassischen Position, dass die Grundlage der Vorgänge zwischen Patient und Analytiker die Intersubjektivität und das Arbeitsmodell die Beziehung sei (Leavy 1973). Seine subtile Argumentation stützt sich auf die Einbettung des Analytikers und des Analysanden in Sprache und auf die wechselseitigen, kontinuierlichen Deutungen. Eine weitere Publikation aus dem nordamerikanischen psychoanalytischen Mainstream jener Zeit war Arnold Modells „Psychoanalysis in a New Context“ von 1984. Angeregt durch André Green und Donald Winnicott betonte Modell, dass die Psychoanalyse zuallererst eine aus der relationalen Matrix der Baby- Mutter-Beziehung hervorgehende Angelegenheit von Subjektivitäten sei. Später
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