Zurück zum Inhaltsverzeichnis
unverkennbar guter Absicht, der Aufbau intensiver affektiver Manifestationen unter Kontrolle. Eine solche Regulation verhindert die Analyse der für libidinöse Prozesse charakteristischen Suche nach Erregung. Infolgedessen schaffen die relationalen Ansätze, unter dieser Perspektive betrachtet, nicht die Voraussetzungen, die notwendig sind, um dem ökonomischen Gesichtspunkt – einem wesentlichen Element der Freud’schen Metapsychologie und einem Merkmal der aktiven unbewussten Prozesse - hinreichend Rechnung tragen zu können (Widlöcher 2004; Kahn 2014). In entsprechender Weise betonen andere Kritiker die Betonung der Bedeutung und der Ko-Konstruktion von Bedeutung im relationalen Paradigma. Sie unterstreichen, dass diese Position die Charakteristika der unbewussten Abkömmliche, die sich der Bedeutungszuschreibung per definitionem widersetzen, unberücksichtigt lasse und zur Assimilierung der Psychoanalyse an die kognitive Therapie beitrage. Zudem erheben sie Einwände gegen die kontingente und sekundäre Rolle, die der Metapsychologie zugestanden wird, und gegen den vermeintlichen Pluralismus und Eklektizismus der relationalen Theorien (Kahn 2014; Tessier 2014a). III. Cca. Lagache und Lacan: Ablehnung des interpersonalen/relationalen Paradigmas Lagache und Lacan werden gewöhnlich als die diejenigen genannt, die als erste auf das Intersubjektivitätskonzept in der französischen Psychoanalyse Bezug nahmen (Roussillon 2004), auch wenn sie es auf unterschiedliche Weise benutzten. Daniel Lagache vertrat die Ansicht, dass die Psychoanalyse einen Platz in der Psychologie habe, die er als ein unitäres Feld sah. Zwar räumte er ein, dass Subjektivität und Intersubjektivität keine psychoanalytischen Konzepte seien, betonte aber die intersubjektiven Aspekte der klinischen Situation und verstand Subjektivität und Intersubjektivität als Grundbegriffe, über die zunächst die Psychologen nachdenken müssten, um einen Beitrag zu ihren Weiterentwicklungen zu leisten (Lagache 1961). Jacques Lacan vertrat eine ganz andere Sicht der Beziehung zwischen Psychoanalyse und Psychologie: Er hielt die beiden Disziplinen für unvereinbar. Lacan widersprach einem phänomenologischen Verständnis der Intersubjektivität und machte geltend, dass eine solche Auffassung lediglich eine Beziehung zu einem ähnlichen Anderen beschreibe: Sie bleibe in der Ordnung des Imaginären und neutralisiere die radikale Andersheit des Unbewussten. Das zentrale Konzept war für Lacan nicht die Subjektivität, sondern das Subjekt: Dem „Subjekt des Unbewussten“ geht die Sprache voraus. Das Subjekt gehorcht der symbolischen Ordnung, einer Ordnung, der das Individuum sich durch die imaginären Formationen des Ichs, darunter die Subjektivität, zu entziehen versucht. Der Begriff des Unbewussten bezeichnet laut Lacan die Vorstellung, wie das Subjekt zu konzeptualisieren sei. Sein gesamtes Projekt ist dementsprechend die Untersuchung des unbewussten Subjekts . Wenngleich sich nicht alle zeitgenössischen Einwände gegen die relationale Auffassung von Intersubjektivität auf Lacans Definition des Subjekts stützen,
250
Made with FlippingBook - Online magazine maker