Zurück zum Inhaltsverzeichnis
der den Akzent vor allem auf den „subjektiven Aneignungsprozess“ und weniger auf das Subjekt selbst legte. An Cahns Arbeit knüpften Bernard Golse und René Roussillon in einem Buch an, das 2006 von François Richard und Steven Wainrib herausgegeben wurde (Richard & Wainrib 2006). Green (2002) postulierte angesichts dieser Komplexität eine „lignée subjectale“, eine Subjektlinie. III. Cdb. Objektbeziehungen, Interaktionen und das Interpsychische Ein wichtiger französischer Autor, Maurice Bouvet , beschäftigte sich zur gleichen Zeit wie Edith Jacobson mit der Objektbeziehungstheorie, hatte aber einen anderen Ansatz. Seine Denkweise führte zu Untersuchungen der Übertragungs- Gegenübertragungsdynamik in der Sitzung. So beschrieb Michel de M’Uzan (1994 [1978]) die „Chimäre“ und das „paradoxe Denken“, beides Phänomene, die im Analytiker während der Sitzung auftauchen, von beiden Beteiligten ausgehen und im Denken des Analytikers Gestalt annehmen – eine Kommunikation von Unbewusstem zu Unbewusstem. Die Beschreibung betraf ein intersubjektives Wesen, das beiden Protagonisten der Sitzung zugehörig ist. Auf einer anderen Ebene untersuchten einige Autoren Interaktionen zwischen Patient und Analytiker mit Blick auf das Unbewusste und die Triebe. René Kaës (1976) erforschte die Gruppendynamik und betonte das Spiel der Intersubjektivität sowie die Erzeugung einer neuen Entität innerhalb der Gruppe, die er als den „psychischen Gruppenapparat“ (l’appareil psychique groupal) bezeichnete. Paul-Claude Racamier (1992), der seit den frühen 1960er Jahren vor allem Psychosen und Schizophrenie erforschte, beschrieb die Interaktionen und Rollen in psychotischen Familien und in Institutionen. Serge Lebovici (1994) führte das Konzept des „Enactments“ in Frankreich ein. Als „mise en jeu“ bezeichnete er die aus dem Wechselspiel von Übertragung und Gegenübertragung hervorgehende interpersonale agierende Wiederholung in der Sitzung zwischen dem Analytiker und dem Mutter- Kind-Paar. Die Arbeit der belgischen frankophonen Analytiker Nicole Carels, Marie- France Dispaux, Jacqueline Godfrind-Haber und Maurice Haber (2002) konzentrierte sich auf die Beeinflussung der intrapsychischen Veränderungen des Patienten durch den interpsychischen Raum, in dem sich die Übertragungs- und Gegenübertragungsentwicklungen vollziehen. Die Autoren untersuchten die „gemeinsame agierte Erfahrung“ (l’expériece agie partagée) und die Grenzen zwischen Intrapsychischem und Interpsychischem. Bernard Brusset (2006), der dem seiner Ansicht nach allzu phänomenologischen Begriff Intersubjektivität den des Interpsychischen vorzieht, führte das Konzept der „Dritten Topik“ ein (s. oben), eine Metapsychologie der Verbindungen , in der Projektionen und Spaltungen stattfinden und die Frage der Grenze beleuchtet wird. Diese Denkweise und Terminologie machen ihren Einfluss auch weit jenseits der französischen Psychoanalyse geltend. Stefano Bolognini (2016) betrachtet das Interpsychische als eine „funktionale präsubjektive Ebene, auf der zwei Personen auf dem Weg ‚normaler‘ kommunikativer projektiver Identifizierungen innere Inhalte
257
Made with FlippingBook - Online magazine maker