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nachdrücklich, dass die nächste Phase der freudianischen psychoanalytischen Theoriebildung unter der Bezeichnung Ich-Psychologie bekannt wurde“ (Abend 2007, S. 1420).
III. POST-FREUDIANISCHE WEITERENTWICKLUNGEN IN EUROPA UND NORDAMERIKA
Die Konzeptualisierung des Konflikts ist definierend für die psychoanalytischen Theorien nach Freud. Zwei Wege zweigten von seinem Werk ab. In Großbritannien und schließlich auch in den Vereinigten Staaten gerieten beide Orientierungen miteinander in Konflikt: Die fruchtbare theoretische Auseinandersetzung zwischen Ich- Psychologie und Objektbeziehungstheorie inspirierte weltweit zahlreiche grundlegende Weiterentwicklungen. III. A. Die Rolle des Konflikts in der Entwicklung: Entwicklungsdefizite und Psychose Die Debatte „Konflikt versus Trauma“ erfuhr durch ein Modell des strukturellen Defizits eine Erweiterung. Die Pathogenitätstheorien rekurrieren hierbei nicht auf triebmotivierte Konflikte, sondern arbeiten mit dem Konzept eines von vornherein (durch traumatische Umwelteinflüsse oder Prädisposition) geschwächten Ichs. Damit verwandte Begriffe sind u.a. „Grundstörung“ (Balint 1968), „frühe Persönlichkeitsstörungen“ und „strukturelle Ich-Störungen“ (Fürstenau 1977). Befürworter der Defizit-Hypothese, die sich auf die Annahme kausaler, schwerer traumatischer Ereignisse in der frühen Kindheit stützt – Ereignisse, die nicht immer klar zutage treten und zumeist durch ein defizitäres Reagieren, Containen und Halten seitens der Bezugspersonen verursacht werden -, behaupten, dass das Trauma nach dem Einsetzen der Psychose die Funktion eines Defizits annimmt. Das bedeutet, dass Patienten Ereignissen ausgesetzt sind, dass sie Opfer ihrer Umstände werden und selbst nicht in der Lage sind, diese Prozesse zu beeinflussen. Die Behandlung zielt infolgedessen in erster Linie auf Substitution und psycho-edukative Beeinflussung. Im Gegensatz zu dieser Konzeptualisierung des Entwicklungskonfliktes führen andere Ansätze sogar psychotische Prozesse auf intrapsychische Konflikte zurück. Grundlegende innere Dilemmata, die weit über einen neurotischen Konflikt hinausgehen und sich zwischen zwei einander wechselseitig ausschließenden Tendenzen abspielen, führen zu Spaltungsprozessen, De-Symbolisierung und konkretem Handeln. In zahlreichen solcher Fälle sind frühe Kindheitstraumata belegt (Kapfhammer 2012a, 2012b). Das Konfliktmodell begreift nicht das Trauma an sich als Ursache der Psychosen, sondern versteht psychotisches Funktionieren als Ergebnis
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