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Gleichwohl nahmen einige der späteren Ich-Psychologen (Blanck 1966; Blanck & Blanck 1972) an, dass Hartmanns Konzepte der konfliktfreien Ich-Bereiche und der Ich-Autonomie auf eine Unabhängigkeit des Ichs von den übrigen psychischen Instanzen verwiesen. Diese spezifische Auslegung der Konzepte beförderte einen Trend, der schließlich andere Schulen, die den Konflikt bagatellisierten, hervorbrachte, zum Beispiel die Selbstpsychologie, eine psychoanalytische Theorie der Entwicklung, die dem Defizit größere Bedeutung beimisst als dem Konflikt. III. Bc. Brenner, Arlow und Rangell: Moderne Konflikttheorie und moderne Strukturtheorie Brenner und Arlow erweiterten Freuds Konzept der durch den Konflikt zwischen Es, Ich und Über-Ich angeregten psychischen Strukturbildung. Sie postulierten, dass praktische alle Hervorbringungen der Psyche – Träume, Symptome, Phantasien, Charakter und freie Assoziationen - Resultate des Konflikts seien. Selbst das Über-Ich ist Brenner zufolge eine Kompromissbildung bzw. ein Cluster von Kompromissbildungen. So schreibt er: „Alles im psychischen Leben […] ist eine Kompromissbildung […] eine Kombination der Befriedigung von Triebabkömmlingen […] Unlust in Form von Angst und depressivem Affekt […] Abwehrmechanismen, die die Unlust minimieren sollen, und Über-Ich-Aktivität […]. Kein Gedanke, kein Handeln, kein Plan, keine Phantasie, kein Traum und kein Symptom sind jemals ausschließlich das eine oder das andere. Jede Verhaltensweise, jedes Gefühl und jeder Gedanke sind überdeterminiert“ (Brenner, in: Richards & Willick 1986, S. 39f.). Dieses komplexe Verständnis beeinflusst auch, was der Analytiker hört: „Man hört dem Patienten nicht mehr zu, um die Frage ‚Ist dies Wunscherfüllung, Abwehr oder Über-Ich?‘ zu beantworten. Man weiß im Voraus, dass die Antwort in allen drei Fällen ‚Ja‘ lautet. Stattdessen lernt man zu fragen: ‚Welche Wünsche kindlichen Ursprungs werden hier befriedigt? […] Welche Art der Unlust (Angst oder depressiver Affekt) wecken sie? Was ist ein defensiver Aspekt? Was ist der Über-Ich-Aspekt?‘“ (Brenner, in: Richards & Willick 1986, S. 40). Aufbauend auf Freuds Prinzip der Überdeterminierung und Wälders Prinzip der multiplen Funktion formulierte Rangell im Einklang mit Brenners und Arlows erweiterten Konzepten des Konflikts und der Kompromissbildung das Prinzip der Austauschbarkeit psychischer Elemente: Psychische Elemente unterhalten konflikthafte Interaktionen und werden auf überdeterminierte Weise zu neuen psychischen Produkten synthetisiert, die dann sekundär an der Konfliktaktivität teilhaben. Die komplementäre Dynamik zur Synthese ist die Analyse, die Zerlegung der psychischen Produkte in ihre ursprünglichen Bestandteile, in Verbindung mit der Rückverfolgung regressiver Entwicklungswege auf die Wurzeln des Konflikts. Konfliktkomponenten verschmelzen im Leben zu einer psychischen Hervorbringung, häufig einem kognitiv-emotionalen Aggregatzustand, der primäre und sekundäre Symptome enthält, die der vorgängigen Persönlichkeitsorganisation überlagert werden
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