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bewusst, dass ich von dem vorgegebenen Thema abweiche, wenn ich hier über die drei Bereiche er Psyche spreche; meine Konzeption des frühen Säuglingsalters aber macht es mir unmöglich, ausschließlich die gegenseitigen Einflüsse zu betrachten, die das Ich und das Es aufeinander ausüben“ (Klein 2000 [1952], S. 102). In einer Zeit, als sich die Ich-Psychologie in erster Linie auf die Beziehung des Ichs zum Es und seine Anpassung an die Außenwelt konzentrierte, rückte Kleins Objektbeziehungstheorie die Beziehung des Ichs zum Über-Ich und die Beeinflussung dieser Beziehung durch die sich herausbildende Verbindung zwischen den Triebstrebungen und den inneren Objekten des Über-Ichs in den Fokus. Etliche Jahre später kommentierte David Rapaport (1957) diesen Unterschied wie folgt: „Seitdem Freud die Strukturtheorie einführte, galt das theoretische Interesse der Psychologie des Ichs. Darüber wurde die Erforschung des Über-Ichs vernachlässigt“ (Rapaport 1977 [1957], S. 686). Die erste theoretische Abrenzung nahm Klein bereits 1928 in einem Beitrag mit dem vielsagenden Titel „Frühstadien des Ödipuskonfliktes“ vor (Klein 1995 [1928]). Unter Verweis auf Freud, der den Ödipuskomplex als einen „Konflikt“ verstand, formuliert sie die Überlegung, dass der Ödipuskomplex – von Freud in die phallische Phase, d.h. ins Alter von drei bis fünf Jahren, datiert – komplexe Vorläufer in den vorangehenden Phasen der psychosexuellen Entwicklung, d.h. in der oralen und der analen Phase, habe. Der Ödipuskonflikt beginnt ihrer Meinung nach im ersten Lebensjahr; mithin gibt es keine „prä-ödipale“ oder „prä-konfliktuöse“ Phase. Dies hat wichtige konzeptuelle Folgen. Zum Beispiel verweist der Ödipuskomplex naturgemäß auf trianguläre Beziehungsstrukturen, denn von dem Augenblick an, in dem das Kind sich des Vaters neben der Mutter bewusst wird, haben wir es mit einem Dreieck zu tun. Hanna Segal (1997) betonte jedoch, dass sich in dem Augenblick, in dem das Kind die organisatorische Entscheidung trifft, seine guten Muttererfahrungen von den bösen zu trennen, ein Dreieck aus Kind, guter Mutter und böser Mutter ergibt. Klein bezeichnete diese Organisationsweise als Spaltung, eine der primären Methoden, mittels deren (nicht allein) die frühe Psyche Konflikte zu bewältigen sucht. Objekte in zwei Teile zu zerlegen oder zwischen guten und bösen Objekten zu spalten sind primäre Methoden des Säuglings, seine Welt zu organisieren. Die Spaltung geht mit der projektiven Identifizierung einher, der Phantasie, sich von verpönten, unlustvollen psychischen Elementen zu befreien, indem man sie in die äußere Welt projiziert. Spaltung wie auch projektive Identifizierung werden zur Bemeisterung der inneren und der äußeren Welt eingesetzt. Im Verein mit der entsprechenden introjektiven Identifizierung bilden diese Prozesse eine lebendige psychisch-soziale Schleife, in der Konflikte bewältigt werden und normales psychisches Geschehen stattfindet. Dieser dem physischen Ein- und Ausatmen analoge Projektions- und Introjektionskreislauf des Lebens demonstriert Kleins Vorstellung von der inhärenten Natur des psychischen Konflikts und seines Zusammenhangs mit wesentlichen
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