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verortet. Beide stehen in einer dialektischen Beziehung zur prä-psychischen Ebene der Selbsterhaltung, die auf die Präexistenz einer psycho-physiologischen „Verdrahtung“ verweist, die durch natürliche Zärtlichkeit und Aggressivität charakterisiert ist. In diese „Verdrahtung“ dringen beim menschlichen Säugling unverzüglich die rätselvollen Botschaften der Anderen ein. Die Zärtlichkeit (Freuds Begriff) oder Bindung lässt sich auf der Ebene der Selbsterhaltung lokalisieren. Die zweite Ebene ist die des Erotischen, dessen Beschreibung mit den Drei Abhandlungen anhebt. Die dritte Ebene schließlich ist die der Liebe zum ganzen Objekt, die Ebene des zugleich narzisstischen und objektbezogenen Eros (Laplanche 2004, S. 468). Die Botschaften der Erwachsenen erfolgen nicht auf einer einzigen Ebene- derjenigen der Fürsorglichkeit und Zärtlichkeit. In dieser Situation des engen Körperkontakts erwachsen die sexuellen Phantasien der Eltern und zwingen oder schleichen sich ins Herz der Selbsterhaltungsbeziehung hinein. Die Botschaften stellen stets Kompromissbildungen – im psychoanalytischen Sinn – dar und sind dem Sender selbst nicht bewusst. Das Kind, das die rätselhaften Botschaften zu entziffern versucht, tut dies mithilfe der ihm zur Verfügung stehenden Codes. So gesehen, ist der sogenannte Todestrieb letztlich die „Reinkultur“ der Andersheit, die wir in den tiefsten Schichten des Unbewussten entdecken, den unzugänglichen Schichten des Es. Doch sehr bald schon tauchen aus der Ich-Aktivität und mit Unterstützung der kulturellen Umwelt fragmentarische Szenen auf, Bruchstücke phantasmatischer Sequenzen, die von den großen organisierenden Kräften, dem Ödipus- und dem Kastrationskomplex, zunehmend absorbiert werden. Die bindenden Kräfte in der Psyche sind nicht weniger sexuell als die übrigen. Gleichwohl gehen sie aus bestimmten Ganzheiten hervor, der Ganzheit des Mitmenschen als vereinheitlichtes Wesen, der Ganzheit des Ichs, seiner Form und seiner Vorstellungen. In dem grandiosen Gegensatz von Lebens- und Todestrieb spielt sich somit im Innern des psychischen Apparates der Widerstreit zwischen bindendem und auflösendem Prinzip ab. Das neugeborene Kind bemüht sich, die verführerischen rätselhaften Botschaften der Erwachsenen zu übersetzen, ohne eine allzu weit gehende Auflösung der Gebundenheit des Stimulus zuzulassen. Fortan wird der Kampf um die Bindung gegen das innere Andere, das Unbewusste und seine Abkömmlinge, ausgetragen (Laplanche 2004). André Greens Konzepte der „toten Mutter“, der „Arbeit des Negativen“, des „analytischen Objekts“, der dynamischen Vernetzung von Objekt und Trieb, Intrapsychischem und Intrasubjektivem sowie sein Konzept der „antagonistischen Kooperation“ zwischen Repräsentation und Affekt (1975, 1998) wurzeln fest in der Annahme eines entweder lokalisierten psychischen Konflikts oder eines allgemeineren Konfliktzustands. Green empfahl, Abwehrmechanismen wie Verdrängung, Spaltung, Verleugnung, Ableugnen sowie Verwerfung oder Ablehnung und Verneinung in
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