Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Symbolisierungsdefizit ist mit stark besetzten und verstörenden Inhalten konfrontiert, etwa mit der Urszene, der Kastrationsangst, dem Vatermord usw. Angesichts dieser Situation kann das Ich des Träumers besagte Inhalte lediglich zudecken, indem es die Abwehrmechanismen aktiviert. Eine der Entstellungsformen ist die Wunscherfüllung (Garma 1978, S. 71-78). Jeder Traum erweist sich so als „maskierter Albtraum“ (vgl. Raskovsky de Salvarezza 1974, S. 142). Zuvor hatte Garma Freuds Theorie der Träume und halluzinatorischen Prozesse kritisch gesichtet und einige Konzeptualisierungen in Bezug auf Trauma und Realitätsprüfung gegenteilig formuliert (Garma 1946, 1966, 1969). Er zog den Schluss: „Es muss klar sein, dass das Individuum, dass unter einer traumatischen Neurose leidet, halluziniert, weil es nicht fähig ist, die mit dem Trauma zusammenhängenden psychischen Inhalte abzuweisen oder durch muskuläre Innervation oder eine vom Ich vorzunehmende Gegenbesetzung zu kontrollieren. Bei diesen Inhalten handelt es sich um die Erinnerungen an das Trauma, die sich spontan in den Tagen nach der Traumatisierung einstellen. Sie machen sich eine gewisse Zeitlang sehr aktiv bemerkbar und können vom Betroffenen nicht ignoriert werden. Sie rufen Halluzinationen hervor, in denen er die lebhaften Erinnerungen an das Geschehen nicht als bloße Erinnerung wahrnimmt, sondern als etwas Reales und Äußeres, das ihm unmittelbar in der Gegenwart zustößt“ (Garma 1969, S. 488f.). Das bedeutet, dass „Träume Halluzinationen verdrängter psychischer Inhalte sind, hervorgerufen durch die Auswirkungen des Traumas auf das geschwächte Ich des Schlafenden. Weil das schlafende Ich diese Inhalte nicht zu kontrollieren vermag, akzeptierte es sie als real und zwingt sie in eine Verkleidung, um unlustvolle psychische Spannungen zu lindern“ (ebd., S. 491). Die solcherart formulierte Traumtheorie verlangte auch die Ausarbeitung einer Metapsychologie des Traumas unter dem strukturtheoretischen Blickwinkel: „[…] man kann sich die Psyche des Traumatisierten so vorstellen, dass sie in verschiedene Instanzen gespalten ist: eine parasitäre Instanz, erzeugt durch ein schweres Trauma, das zur Wiederholung zwingt; eine weitere, der parasitären unterworfene Instanz, die ein Selbst ist, das die erzwungene Wiederholung durchführt; und eine weitere Instanz, nämlich ein gesundes und stabiles Ich, das sich […] vor dem Wiederholungszwang schützt und die Triebkräfte zu kontrollieren versucht“ (Garma 1978, S. 116). Später wird die „parasitäre Instanz“ als Über-Ich bezeichnet (Garma 1978, S. 118). Das heißt, „Neurosen sind bedingt durch ein unzuträgliches Über-Ich, in dem eine schädliche äußere Realität Ausdruck findet. Es unterwirft das Ich, zwingt es zu unangemessenem Verhalten und hindert es an einem harmonischen Umgang mit dem Es“ (Garma 1978, S. 118f.). Garmas Theorie unterstreicht insbesondere, dass jedes neurotische Symptom (auf individueller wie auch auf Gruppenebene) eine Kombination von Kräften aufweist, die Wiederholung erzwingen , und anderen, die zu deren Verkleidung führen, wie Freud es in „Der Mann Moses und die monotheistische Religion“ dargelegt hat. In diesem Zusammenhang definierte Garma auch das Konzept des Lebens- und des Todestriebs neu, und zwar mit Blick auf die Konzeptualisierung von Konflikten im

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