Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Grotstein (1981b) zufolge ist Bions Containment-Modell jedoch von Kohuts Konzept der Spiegelung zu unterscheiden: “Bions Konzept betrifft eine elaborierte Aktivität des Primärvorgangs, die wie ein Prisma wirkt, das die intensive Farbtönung der Schreie des Säuglings sozusagen bricht und in die Komponenten des Farbspektrums zerlegt, so dass sie gemäß ihrer Wichtigkeit und der entsprechenden psychischen Aktion hierarchisiert werden können. Für Bion bedeutet Containment mithin einen sehr aktiven Prozess, an dem Fühlen, Denken, Organisieren und Handeln beteiligt sind” (S. 134).

VII. INTERDISZIPLINÄRE STUDIEN

Der Bion-Experte Paulo Cesar Sandler (2005a) schreibt, dass sowohl Freud als auch Klein einen Zusammenhang zwischen emotionaler und intellektueller Entwicklung anerkannt haben. René Spitz und John Bowlby haben, so Sandler, diesbezüglich Pionierarbeit geleistet und durch ihre Forschungen bewiesen, dass ein solcher Zusammenhang bei vernachlässigten Kindern besteht. Viele weitere entwicklungspsychologische und neuroentwicklungspsychologische Studien haben ihn gleichfalls bestätigt. Doch erst Bions Container-Contained-Theorie “machte deutlich, wie diese Beziehung allererst anhebt. Emotionale und intellektuelle Entwicklung werden in ihren kleinsten Details als eine Beziehung zwischen Säugling und Brust konzipiert, die von der Theorie nicht als Prinzip, Postulat oder imaginäres Konstrukt verstanden wird” (S. 161). In ebendiesem Kontext ist die zusammenfassende Übersicht der aus unseren verschiedenen konzeptuellen entwicklungspsychologischen- entwicklungsdynamischen Rahmen hervorgegangenen interdisziplinären Studien zu verstehen. VII. A. SÄUGLINGSFORSCHUNG René Spitz’s Studien (1945, 1965, 1972) über die langfristige Trennung hospitalisierter Säuglinge und Kleinkinder von der Mutter haben Mahlers Theorie der Separation-Individuation enorm beeinflusst. Spitz war auch der erste, der die entscheidende Bedeutung eines liebevollen “Haltens” des Babys durch seine Betreuungspersonen betonte und unterstrich, dass dieses Halten einer reichen taktilen, affektiven nonverbalen Kommunikation zuträglich ist. Diese Tradition wurde im ich- psychologischen/strukturtheoretischen Rahmen von Mahler fortgeführt (Mahler, Pine & Bergman 1975), mit Beebes Säuglingsforschung über selbst- und interaktive Regulation (Beebe 2000) und der Boston Change Process Study Group (BCPG 2007, 2008) im selbst- und beziehungstheoretischen Rahmen. (Siehe auch die Einträge OBJEKTBEZIEHUNGSTHEORIEN, ICH-PSYCHOLOGIE und SELBST.)

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