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Wirkungen nicht nur durch die Sitzung befördert, vielmehr wird die Sitzung selbst zusammen mit der Übertragung zu einer nachträglichen Wirkung. II. E. Die Sitzungen als Reminiszenzen und nachträgliche Wirkungen Durch die analytische Situation aber kommt es zu Überblendungen und Vermischungen der spezifischen nachträglichen Wirkungen beider Protagonisten. So entsteht eine Neuproduktion, die analytische nachträgliche Wirkung , die für die Sitzung ich-/nicht-ich-spezifisch ist, eine Neorealität voller einander kreuzender Reminiszenzen. Die analytische nachträgliche Wirkung ist der Hebel der therapeutischen Wirkung. In jeder Sitzung hat sie ihren Platz in den Sequenzen und im Gesamt der Behandlung. Die Prä-zession (precession – das Vorangehen, Vorausgehen; vgl. Collins English Dictionary) der Gegenübertragung eines jeden Analytikers (Neyraut 1997) ist daran in einer bunten Vielfalt emotionaler, figurativer und theoretischer Formen beteiligt. In der Sitzung fördert die regressive Anziehung des Verdrängten (Freud 1926d) die Reaktualisierung der Wirkung des Traumas durch Erinnerung, Wiederholung und Rekonstruktion. Die Resultate der nachträglichen Wirkung sind überdeterminierte Erinnerungen. Freuds Verallgemeinerung der Wirkung der Reminiszenzen (Freud 1937d) bezieht historische Realität, ontogenetische und phylogenetische Spuren und – über die Funktion der Nachträglichkeit – das Konzept der durch die Psyche geschaffenen historischen Wahrheit mit ein. II. F. Die letzte (duale) Triebtheorie und der Prozess der Nachträglichkeit Ausschlaggebend dafür, dass das Konzept der Nachträglichkeit von Freud nicht länger verwendet wurde, war die 1920 erfolgte Ausarbeitung einer grundlegenden Eigenschaft aller Triebe, nämlich ihrer Tendenz, in einen früheren Zustand, letztlich einen anorganischen, zurückzukehren (Chervet 2009). Diese letzte, duale Triebtheorie ging mit der Einführung des Todestriebs, mithin der Dualität von Eros und Thanatos einher. Die Bedeutung, die das Wort Nachträglichkeit der progressiven Richtung verleiht, berücksichtigt nur unzureichend den anderen Aspekt des Prozesses, nämlich die wichtige Rolle der regressiven, rückläufigen psychischen Arbeit, die durch den Prozess der nachträglichen Einwirkung auf die traumatische und regressive Anziehung geleistet wird. Dieser wesentliche Aspekt wird tagtäglich im Hinblick auf die zahlreichen traumatischen Ereignisse des vorangegangenen Tages durch die Traumfunktion repräsentiert. Während Freund den Prozess der nachträglichen Wirkung anfangs lediglich mit der Genese hysterischer Symptome in Verbindung brachte, wurde er im Laufe der Zeit zum wesentlichen Merkmal der zweiphasigen Natur der menschlichen Sexualität, das die ödipale Phase über die Unterbrechung durch die Latenzphase hinweg mit der Pubertät verbindet. Er wurde dann mitsamt dem regressiven und dem progressiven Weg auf das gewöhnliche psychische Funktionieren und auf das Oszillieren zwischen Nacht und
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