Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Angst und Panik, d.h. für eine Situation der traumatischen Neurose, in welcher der Prozess der Nachträglichkeit keine Wirkung ausübt. Während die französische Psychoanalyse das archaische Element nachträglich konstruiert sieht (A. Green 1982), so ist es für die anglo-amerikanischen Schulen bereits vorhanden, und der psychische Apparat muss gegen diese desorganisierenden primitiven Angstgefühle ankämpfen. Das Modell der kommensalen Beziehung (einer Beziehung, in der sich zwei Objekte ein drittes zum Vorteil aller drei Beteiligter teilen) (Bion 1970) und der Notwendigkeit, Wachstum und Weiterentwicklung (durch eine symbiotische Beziehung) zu unterstützen, spielen eine weit wichtigere Rolle als das Modell der Ausarbeitung und des Durcharbeitens auf regressivem Wege und die Deutung dieser negativen Anziehung. Dem Klein’schen Modell zufolge ist es notwendig, diese regressive Destruktivität zu bekämpfen. Ausgefochten wird dieser Kampf gegen eine traumatische innere Grunderfahrung, die „Angst vor dem Zusammenbruch“ (Winnicott 1970) oder die „namenlose Angst“ (die parasitäre Beziehung) (Bion 1962), mit Hilfe der Kreativität (Winnicott 1989). Die Beziehung zur Unlust und zum masochistischen Funktionieren, zur Trauer und zum Verlust des Objekts wird von der Regression auf Abhängigkeit und von der Transformation der Reaktionen des familiären Umfeldes bestimmt. Die Aufmerksamkeit richtet sich auf die emotionale Erfahrung zwischen dem Analytiker und dem Analysanden, die unter dem Aspekt der analytischen nachträglichen Wirkung betrachtet werden kann. Laut Bion (1962) erfolgt der Transformationsprozess, der die Alpha-Funktion und die Alpha-Elemente hervorbringt, in der mütterlichen Reverie . Die psychische Arbeit der Zwischenphase findet zuerst außerhalb der kindlichen Psyche statt, nämlich in der Psyche der Mutter. Die Vorstellungen von Beistand, von einem helfenden Objekt, von positiver und negativer projektiver Identifizierung finden unter diesem Blickwinkel Kohärenz und Rechtfertigung. III. C. Die zeitgenössische europäische Szene: wachsende Komplexität Die Dynamik der Nachträglichkeit, die sich in der Beziehung zweier Protagonisten in der Analyse entwickelt, war Gegenstand zahlreicher Studien. So untersuchte Winnicott den Übergangsraum und das Übergangsobjekt , Michel de M’Uzan die Chimäre, André Green das analytische Objekt und Thomas Ogden das analytische Dritte. Das Resultat der Nachträglichkeit ist Gegenstand von Untersuchungen über Übergangsphänomene und Spiel (Winnicott 1971) sowie über den gemeinsam geteilten Animismus und das Funktionieren als Doppelgänger (César Botella und Sara Botella 2005). Bezogen auf den „analytischen Ort“ betont Jean-Luc Donnet (2001 [2001]) die Zufallsdimension der Realisierung nachträglicher Wirkungen. Sie gerät in Konflikt mit dem Determinismus, der diesen Prozess erschwert. So muss das Subjekt allererst die Wahrnehmungen und Wahrnehmungsspuren suchen und erzeugen, ohne die dieser Prozess überhaupt nicht stattfinden könnte.

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