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Wirksamkeit annimmt, indem es durch Integration in einen neuen Kontext modifiziert wird. C) Das Phänomen des „Zurückphantasierens“, das einem vorangegangenen Moment etwas zuschreibt, was erst nach diesem Moment erfolgte. Laut Bernardi (1994) finden sich in Freuds Schriften nach der Entdeckung der infantilen Sexualität Modifizierungen des Konzepts der Nachträglichkeit. Carlos M. Aslan (2006) betont die Nachträglichkeit als einen Arbeitsmodus des psychischen Apparates. Seiner Ansicht nach ist der Begriff für tagtägliche Erfahrungen relevant und sollte deshalb nicht auf seine Beziehung zu traumatischen Situationen reduziert werden. “Man erinnere sich nur an das Freud’sche Konzept eines nachträglich wirkenden Mechanismus, der, wie Blum erläuterte, nicht außergewöhnlich, sondern habituell ist und eben nicht nur in traumatischen Situationen aktiviert wird; er kann an alltäglichen Erfahrungen beteiligt sein, wenn eine modifizierende Wirkung mit der Bedeutung einer Erinnerungsspur (vorangegangene strukturierte Ereignisse) zusammenhängt. Er gehört nicht der materiellen Realität an, sondern der historischen psychischen Realität des Subjekts. Sobald sich diese strukturiert hat, wird sie die Wahrnehmung und Interpretation neuer Erfahrungen beeinflussen, und dies setzt sich dann sukzessive fort. Auf diese Weise werden nicht nur neue Strukturen produziert, sondern auch zuvor gebildete modifiziert“ (S. 71). Im Einklang mit Aslan vertreten Madeleine Baranger, Willy Baranger und Jorge Mom (1987) die Auffassung, dass Freuds Leser der Nachträglichkeit zu wenig Bedeutung beigelegt haben. Sie betonen die Beteiligung des Konzepts an der Entstehung von Phantasien und an der Eingrenzung des ökonomischen Aspekts des Traumas. Die Spur eines Ereignisses bleibt in der Psyche erhalten, ohne jedoch an sich ein Trauma zu konstituieren; in ein solches wird sie erst durch nachfolgende Ereignisse verwandelt, wodurch diese erste stumme Phase in den Todestrieb assimiliert wird. “Es ist nicht lediglich eine Frage der nachträglichen Wirkung oder einer Ursache, die latent bleibt, bis sie Gelegenheit findet, sich zu manifestieren, sondern es geht um eine retroaktive Wirkungsverursachung von der Gegenwart zur Vergangenheit“ (M. Baranger, W. Baranger, J. Mom 1987, S. 750). Die Autoren betonen, dass „Zeitlichkeit und Nachträglichkeit es ermöglichen, die spezifische therapeutische Wirkung der Psychoanalyse zu erzielen, was erschwert würde, wenn wir uns auf die Kategorien von Kausalität und Zeitlichkeit, im linearen Sinn verstanden, beschränkten“ (S. 750). Auf diese Weise bringen Baranger, Baranger und Mom (1987) die Nachträglichkeit mit dem, was im analytischen Prozess nicht assimiliert werden kann, in Verbindung. Sie betonen, dass die erste Phase, die ebenso stumm, unbennbar und nicht repräsentierbar ist wie der Todestrieb, erst dank der Nachträglichkeit als Trauma konstituiert werden kann.
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