Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Identifizierungen, die aus der Auflösung des Ödipuskomplexes resultieren, den Kern des Über-Ichs bilden (vgl. J. Strachey 1957, S. 240-242). (Siehe auch die Einträge DAS UNBEWUSSTE, KONFLIKT, ICH-PSYCHOLOGIE.) Modell (1995) schreibt über die Verbindungen zwischen Freud und den relationalen Theorien: „Freuds spätere Theorien betonten die Bedeutung der Identifizierung und des Objektverlustes für die Strukturbildung. […] Freud vertrat die Ansicht, dass das, was internalisiert wird, eine Beziehung zwischen Personen sei. So schrieb er im Abriß der Psychoanalyse (Freud 1940), dass das Über-Ich gegenüber dem Ich die Funktionen von Menschen aus der äußeren Welt erfülle. Fairbairn hat Freuds Konzept der internalisierten Objektbeziehungen wesentlich erweitert. Wenngleich Freud nie eine relationale Theorie als solche entwickelte, weil er sich nie das Konzept eines Selbst zu eigen machte, gibt es eine latente Freud’sche Objektbeziehungstheorie, wie ich 1968 in meiner Monographie Object Love and Reality gezeigt habe“ (S. 109). Mehr als einmal führte Freud im Zusammenhang mit ätiologischen Fragen die „Ergänzungsreihen“ an, das heißt, eine variierende, von den jeweiligen Umständen abhängige Komplementarität zwischen inneren und äußeren Faktoren (siehe z.B. Freud 1917b, S. 360). In Massenpsychologie und Ich-Analyse warnte er davor, innere und äußere Faktoren als einen scharfen Gegensatz zu betrachten: „Die Individualpsychologie ist zwar auf den einzelnen Menschen eingestellt und verfolgt, auf welchen Wegen derselbe die Befriedigung seiner Triebregungen zu erreichen sucht, allein sie kommt dabei nur selten, unter bestimmten Ausnahmsbedingungen, in die Lage, von den Beziehungen dieses Einzelnen zu anderen Individuen abzusehen“ (Freud 1921, S. 73). II. B. Wurzeln in Freuds Werk – Das Problem der Objektbeziehungen: Objektbeziehungen als den Trieben nachgeordnet Das Problem der Objektbeziehungen ist in sämtlichen Schriften Freuds unverkennbar. Es taucht schon früh, etwa in den Drei Abhandlungen zur Sexualtheorie (Freud 1905), auf. Hier schreibt Freud: „Nicht ohne guten Grund ist das Saugen des Kindes an der Brust der Mutter vorbildlich für jede Liebesbeziehung geworden. Die Objektfindung ist eigentlich eine Wiederfindung” (S. 123). Dennoch wird das libidinöse Objekt von Freud – innerhalb des allgemeinen metapsychologischen Bezugsrahmens von Triebquelle, Triebziel und Objekt des Triebes – insbesondere in Bezug auf Objektwahl und Triebbefriedigung/-versagung betrachtet. In der klassischen Theorie weist die Lust den Weg zur Objektwahl (Freud 1909, S. 342). Und indem Freud betonte, was den Trieb befriedigt bzw. frustriert, maß er einer biologischen Auffassung der Objektbeziehungen eine vorrangige Bedeutung bei und schrieb der energetischen und ökonomischen Dimension des menschlichen Erlebens Priorität zu. Die Betonung der Triebausstattung als Grundlage der Objektbeziehungen bedeutet, dass das Objekt als eine Konsequenz der Genitalorganisation der Triebe und erogenen Zonen betrachtet wird. Objektbeziehungen bleiben für Freud eine Triebfunktion; Erregung ist ohne Bezugnahme auf den objektrelationalen Kontext erklärbar. Vergleichen wir einmal die folgende Aussage aus den Drei Abhandlungen

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