Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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eigentlichen Körperspannung als Quelle der Triebenergie. Damit schuf sie eine Alternative zu den Regulationsprinzipien der klassischen Triebtheorie. Alix Strachey (1941) wies drei verschiedene Bedeutungen des Begriffs und des Konzepts „innerlich“ [internal] nach, nämlich „psychisch“, „phantasmatisch“ und „im Innern befindlich“. Unter Kleinianern wird die Frage nach wie vor debattiert. Karin Stephen (1934) schrieb in einem frühen Versuch, das Wesen der inneren Objekte zu klären, dass „der Glaube an diese phantasmatischen inneren Objekte in tatsächlichen Körpererfahrungen der sehr frühen Kindheit wurzelt, die mit einer gewalterfüllten, häufig unkontrollierbaren Abfuhr emotionaler Spannung einhergehen“ (S. 321). Paula Heimann wiederum unterstrich, als sie sich noch als Mitglied der Gruppe um Klein betrachtete, die Grundannahme der objektsuchenden Triebe unter dem körperlichen Gesichtspunkt: „Unter dem Ansturm von Hunger und oralen Bedürfnissen halluziniert der Säugling das Objekt, das diese Impulse zu befriedigen vermag. Wenn ihm nun dieses Objekt, die mütterliche Brust, in der Realität angeboten wird, nimmt er es an und verleibt es sich in seiner Phantasie ein (Heimann 2016 [1949], S. 103). Robert Hinshelwood (1993 [1989]) lenkte die Aufmerksamkeit auf die Tatsache, dass das primitive Erleben innerer Objekte eine „animistische Welt entstehen“ lässt, „in der es nichts gibt, was frei von Empfindungen und Absichten wäre“ (S. 104; Hervorhebung ergänzt). Die Zuschreibung von Intentionalität an psychische Energie, an die Lebens- und die Todestriebe, ist unter dem kleinianischen Blickwinkel von Beginn des Lebens an gerechtfertigt: „Darüber hinaus sind auch Liebe und Haß, Phantasien, Ängste und Abwehrmechanismen von Beginn an aktiv und ab initio unauflöslich mit Objektbeziehungen verbunden“ (Klein 2000 [1959a], S. 89). Laut Klein introjiziert das Ich „von Anfang an sowohl ‚gute‘ als auch ‚böse‘ Objekte, und für beide stellt die Mutterbrust den Prototyp dar (Klein 1996 [1935], S. 35. Anders als Freud, für den das Objekt immer Objekt eines Triebziels ist, postuliert Klein die Objektbezogenheit als einen zusätzlichen Motivationsfaktor hinter dem menschlichen Handeln. Dies gilt für die Liebe und den Hass, verstanden als eine zielorientierte oder intentionale Kraft, die Beziehungen von Anfang an inhärent ist. Für die libidinöse Bindung postuliert Klein (1996 [1937]), „daß das Kind auf die Liebe und Pflege seiner Mutter direkt und spontan mit Gefühlen von Liebe und Dankbarkeit reagiert“ (S. 113). Destruktive Impulse werden dementsprechend verstanden als Manifestation eines angeborenen, zielgerichteten Hasses und Neides auf das allmächtige gute Objekt: „Bereits in den ersten Monaten seines Lebens sind im Baby sadistische Impulse aktiv, die sich nicht nur gegen die Brust seiner Mutter, sondern auch gegen das Innere ihres Körpers richten “ (Klein 1996 [1935], S. 35; Hervorhebung ergänzt). Die Freud’schen Konzepte der „Libido“ und der „Aggression“ werden von Klein als direktionale – gerichtete – Emotionen neu interpretiert. Auf diese Weise versucht sie, Trieb- und Objektbeziehungstheorie miteinander zu verbinden. Ihre Darlegung der Triebe als inhärent zielgerichtete Phänomene stellt tatsächlich eine Theorie der Ursprünge und der Beschaffenheit des Objekts dar. Dies wirft Fragen auf bezüglich der Konstitution der Psyche und des Verhältnisses zwischen

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