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konstitutionellen und Umweltfaktoren. Das Verhältnis zwischen inneren und äußeren Faktoren – das heißt, der Gesamtkomplex der biologischen und persönlichen Elemente und die Art der frühen Umwelt – wird von Klein in den verschiedenen Phasen ihres Schaffens unterschiedlich beschrieben. Konzis und schlüssig postuliert Klein (2000 [1959]) ein „angeborenes, unbewußtes Wissen um die Existenz der Mutter“ (S. 390); Objekte sind den Trieben ihrer Ansicht nach inhärent und, in diesem Sinne verstanden, von äußeren Objekten, insbesondere der realen Mutter des Säuglings, relativ unabhängig. Triebhaftes Wissen – eine angeborene Präkonzeption – wird verstanden als „die Grundlage für die erste Beziehung des Kindes zu seiner Mutter“ (ebd., S. 390f.). Für die Vorstellung, dass die ersten Objekte der Triebe tatsächlich Erweiterungen der Triebe selbst sind – und nicht etwa reale Beziehungsvorgänge -, spricht zweierlei. Klein postuliert erstens, dass libidinöses Verlangen immer ein Verlagen nach etwas ist (Intentionalität der Triebe), und zweitens, dass Objektbeziehungen durch die intrapsychischen Mechanismen der Introjektion und Projektion aufgebaut werden: „Indem Libido und Aggression nach außen abgedrängt und ins Objekt projiziert werden, entstehen die ersten Objektbeziehungen des Säuglings. Dieser Prozeß bildet meiner Ansicht nach die Grundlage der Objektbesetzung. Durch den Introjektionsvorgang wird dieses erste Objekt gleichzeitig ins Selbst aufgenommen“ (Klein 2000 [1952b], S. 100). Der omnipotente Charakter der primitiven unbewussten Phantasie hat zur Folge, dass das äußere Objekt zunächst, in der frühen paranoid-schizoiden Position, so wahrgenommen wird, als sei es mit dem introjizierten Objekt untrennbar verbunden; die Projektion wiederum weckt im Säugling das Gefühl, Teile des Selbst oder der inneren Welt verloren zu haben. Exzessive projektive Identifizierungsprozesse, durch die Teile des Selbst in äußere Objekte ausgelagert werden, können ein Gefühl der Depersonalisierung oder Fragmentierung nach sich ziehen. In diesem Sinn bezeichnet der Terminus „inneres Objekt“ den primitiven Glauben an ein physisch präsentes Objekt (Money-Kyrle 1968) oder eine konkretistische Objektwahrnehmung. Leibhaftigen Menschen einschließlich der Eltern wird vor dem Hintergrund dieser konkretistisch aufgefassten inneren Welt, in der Objektbeziehungen aus universalen, apriorischen Imagines aufgebaut werden, eine Rolle oder Identität zugeschrieben. Insbesondere das „Über-Ich des Kindes entspricht nicht dem Bild, das seine realen Eltern vermitteln, sondern entwickelt sich aus imaginären Bildern oder Imagines der Eltern, die das Kind in sich aufgenommen hat“ (Klein 1933 [1996], S. 8f.). Klein entwickelte schon früh eine Theorie der intrapsychischen Ursprünge introjizierter und innerer Objekte. In ihrem Bericht über die 1923 durchgeführte Behandlung „Ritas“ schrieb sie 1926: „Das Verbot […] ging aber nicht mehr von der realen Mutter aus, sondern von einer introjizierten“ (Klein 1995 [1926], S. 201). Auch wenn Klein die Projektion-Introjektion als einen fortlaufenden Interaktionsprozess oder als Zusammenspiel von Umwelt- und intrapsychischen Faktoren betrachtet, nimmt sie Bezug auf die reale, äußere Welt:
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