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zwangsläufig ein Gewahrsein der ödipalen Situation einhergeht. Ronald Britton (1989, 1992) zeigt detaillierter, dass die depressive Position und der Ödipuskomplex in der Entwicklung nicht nebeneinander auftauchen, sondern dass das Durcharbeiten der einen das Durcharbeiten des anderen bedeutet und umgekehrt. Für die paranoid-schizoide Position postuliert Klein die Phantasie einer furchterregenden und verfolgenden „Figur der Vereinigten-Eltern“: der mütterliche Körper, der den Penis des Vaters sowie rivalisierende Babys in sich enthält. Diese primitive Version eines in ununterbrochenem Geschlechtsverkehr phantasierten Paares weist infolge der projizierten infantilen Sexualität und des Sadismus des Säuglings sadistische orale, urethrale und anale Eigenschaften auf. In der depressiven Position aber taucht das Gewahrsein eines inneren und äußeren dritten Objekts im eigentlichen Sinn auf, das zwar auch Eifersuchts- und Neidgefühle weckt, aber die innere Situation gleichwohl stabilisiert: „Die Fähigkeit des Säuglings, sich gleichzeitig an der Beziehung zu beiden Eltern zu erfreuen – eine Fähigkeit, die ein wesentliches Merkmal seines psychischen Lebens darstellt und mit seinen durch Eifersucht und Angst hervorgerufenen Wünschen, die Eltern zu trennen, im Widerstreit liegt -, setzt voraus, daß er sie als getrennte Individuen erlebt. Diese besser integrierte Beziehung zu den Eltern (die sich von dem zwanghaften Verlangen unterscheidet, die Eltern voneinander getrennt zu halten und ihren Geschlechtsverkehr zu verhindern) ist mit einem größeren Verständnis für ihre wechselseitige Beziehung verbunden und ermöglicht dem Säugling die Hoffnung, daß es ihm gelingen wird, die Eltern zusammenzubringen und glücklich zu vereinen.“ (Klein, (2000 [1952c], S. 135, Anm. 24) Im weiteren Entwicklungsverlauf kann das gute, geliebte Objekt normalerweise als stabiler Kern des Ichs sicher im Innern verankert werden. Der depressive Schmerz kann aber auch unerträglich sein; häufig aktiviert er eine manische und zwangsneurotische Abwehr und einen Rückzug zur Spaltung und zur Paranoia der paranoid-schizoiden Position. Die depressive Position ist kein Entwicklungsschritt, der ein für allemal abgeschlossen wird. Sie muss lebenslang wieder und wieder durchgearbeitet werden, auch wenn sich unter zuträglichen Bedingungen immer tiefere, eher dreidimensionale Beziehungen zum Selbst und zu anderen Menschen entwickeln können und die Fähigkeit zur Reintegration nach einem Rückfall in den paranoid- schizoiden Modus im Laufe des Lebens wächst. Klein beschreibt den Prozess der sich erweiternden Realitätswahrnehmung mit folgenden Worten: „Die Synthese von äußeren und inneren, geliebten und gehaßten, realen und imaginären Objekten können wir uns in dieser Entwicklungsphase vermutlich so vorstellen, daß sich jedem Schritt der Vereinheitlichung eine erneute Spaltung der Imagines anschließt. Je weiter aber die Anpassung an die äußere Welt
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