Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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schreckenerregenden Charakters einiger ihrer internalisierten Objekte. […] unter dem Druck akuter Angst aber werden sie und weitere bedrohliche Gestalten abgespalten – allerdings auf andere Weise als jene Objekte, die das Über-Ich aufbauen – und in tiefere Schichten des Unbewußten verbannt.“ (Klein, 2000 [1958], S. 379) Klein betonte die Notwendigkeit der frühen Spaltungsprozesse, die der Entwicklung von allgemein-diffusen zu den paranoid-schizoiden (persekutorischen) Ängsten um die Selbsterhaltung zuträglich ist. Sie unterstrich, dass solche frühen Ängste die Wahrnehmung des Objekts färben, bevor sie zu den von ihr so genannten depressiven Ängsten integriert werden können: das heißt zu Ängsten, die sich auf die Sorge um das Objekt konzentrieren. Dieser Fokus ermöglicht ein detaillierteres Bild von der Art und Weise, wie das Objekt durch Liebes- und Hassgefühle, die unausgesetzt miteinander interagieren, „gekannt“ werden kann. Mit diesem Verständnis kann das durch seine destruktiven Triebstrebungen geschwächte Ich die Güte und damit auch die Stärke und Zuversicht des Objekts zurückerlangen. Mitrani (2007) weist zwar darauf hin, dass die Rolle der frühen Umwelteinflüsse in Kleins Schriften nicht immer klar ersichtlich ist, zitiert aber ihren Beitrag „Die Bedeutung der Symbolbildung für die Ich-Entwicklung“ aus dem Jahr 1930, in dem Klein ihre Erkenntnisse aus der Analyse eines vierjährigen autistischen Jungen namens Dick darlegt und das Konzept der „zu frühen Ich-Entwicklung“ einführt, um Dicks Dilemma auf den Punkt zu bringen (Klein 1995 [1930], S. 361). Sie bezeichnete die Frühreife des Kindes als „zu frühe Einfühlung“ (ebd., S. 361) und als „verfrühte und überstarke Identifizierung“ (ebd.,, S. 357) mit der Mutter. Ihrer Ansicht nach waren Dicks Schwierigkeiten auf eine vorzeitig einsetzende depressive Position zurückzuführen, mit anderen Worten: In der Übertragung beobachtete Klein Dicks unzeitgemäße, schon im frühen Säuglingsalter aufgetretene Sorge um das Überleben seiner Mutter . Kleins Werk enthält zahllose Hinweise auf die Projektion libidinöser Selbstaspekte des Säuglings in die Mutter, durch welche das, was ihr fehlt, ersetzt und sie wiederhergestellt werden soll (allzu frühe und reguläre depressive Position). Sie betont auch die Notwendigkeit, dass die frühen guten Objekte in den Kern des Ichs aufgenommen und sicher verankert werden. Das von Klein beschriebene Zusammenwirken guter und böser Objekte findet vor allem in ihrer Schrift „Zum Gefühl der Einsamkeit“ von 1963 einen prägnanten Ausdruck: „Wie ich häufig beschrieben habe, ist das Ich von Geburt an vorhanden und aktiv. Zu Beginn fehlt es ihm in hohem Maße an Kohärenz, es wird von Spaltungsmechanismen beherrscht. Die Gefahr, durch den gegen das Selbst gerichteten Todestrieb zerstört zu werden, trägt zur Spaltung der Triebstrebungen in gute und böse bei; da diese Strebungen auf das primäre Objekt projiziert werden, ist es ebenfalls in ein gutes und ein böses Objekt gespalten. Diese

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