Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Situation bewirkt, daß der gute Teil des Ichs und des guten Objekts zu einem gewissen Grad geschützt sind, da die Aggression von ihnen abgelenkt wird. Dies sind die spezifischen Spaltungsprozesse, die ich als Grundlage einer relativen Sicherheit des sehr kleinen Säuglings beschrieben haben – sofern Sicherheit in dieser Phase überhaupt erreicht werden kann; andere Spaltungprozesse hingegen, wie beispielsweise diejenigen, die eine Fragmentierung nach sich ziehen, richten sich gegen das Ich und beeinträchtigen es in seiner Stärke.“ (Klein, 2000 [1963], S. 475) Die Tendenz zur Integration besteht von Beginn des Lebens an und verstärkt sich mit dem Wachstum des Ichs: “Dieser Integrationsprozeß beruht auf der Introjektion des guten Objekts, und zwar zunächst eines Teilobjekts – der Mutterbrust, wenngleich auch andere Aspekte der Mutter schon in die allererste Beziehung eingehen. Wenn das gute innere Objekt relativ sicher verankert werden kann, bildet es den Kern des heranreifenden Ichs” (ebd., S. 476). Wenn die Integration gelingt, bewirkt sie “auch eine Milderung des Hasses durch die Liebe, so daß die destruktiven Strebungen an Macht verlieren. Das Ich kann sich dann nicht nur in bezug auf sein eigenes Überleben sicherer fühlen, sondern auch in bezug auf die Erhaltung seines guten Objekts. […] Dennoch ist Integration schwer zu akzeptieren. Das Zusammenkommen der destruktiven und liebevollen Strebungen sowie der guten und bösen Aspekte des Objekts nämlich weckt die Angst, daß destruktive Gefühle die Liebesgefühle überwältigen und das gute Objekt gefährden könnten. Somit besteht ein Konflikt zwischen dem Streben nach Integration als Schutz gegen destruktive Strebungen und der Angst, daß die integrierten destruktiven Impulse das gute Objekt und die guten Selbstanteile in Gefahr bringen könnten.“ (Ebd., S. 477) Auf die Erhaltung und Bewahrung des guten Objekts in der inneren Welt hebt Kleins Theorie vorrangig ab. Sie legt durchaus Gewicht auf den Einfluss, den die destruktiven Kräfte auf das innere gute Objekt ausüben, doch der therapeutische Fokus gilt der Stärkung der konstruktiven, liebevollen Kräfte. Sie selbst hat dies wie folgt ausgedrückt: „Ein zufriedenes Baby, das gerne trinkt, lindert die Angst der Mutter; ihre Zufriedenheit schlägt sich in der Art und Weise nieder, wie sie das Kind versorgt und es füttert. Durch ihre Haltung kann sie seine Verfolgungsangst lindern und seine Fähigkeit, die gute Brust zu internalisieren, beeinflussen“ (ebd., S. 492). Ebenso wie die Freud’sche beruht auch Kleins Theorie auf den Trieben. Die Unterschiede betreffen zeitliche Parameter, das Wesen der letzten Phase der Entwicklung (und der Therapie) und die jeweilige Bedeutsamkeit innerer bzw. äußerer (Umwelt-) Faktoren für die Entwicklung sowie für die Ätiologie der Psychopathologie: Kleins Theorie setzt das Erreichen der depressiven Position (und die vollständige Auflösung der ödipalen Konflikte bei gleichzeitiger vollständiger Strukturierung des

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