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[1946], S. 180). Das zentrale Ich besteht aus vorbewussten und bewussten sowie unbewussten Elementen, während die Hilfs-Ichs für gewöhnlich unbewusst bleiben. Ungeachtet dieser Freud’schen Termini entspricht diese dreiteilige Persönlichkeitsstruktur nicht dem Strukturmodell der klassischen Psychoanalyse. Anders als Freud postuliert Fairbairn die Organisation realer Beziehungsgeschehnisse zu separaten Selbst-Objekt-Formationen oder Strukturen, die auf der Verdrängung internalisierter Objekte beruhen: zentrales Ich/ideales Objekt, libidinöses Ich/erregendes Objekt sowie anti-libidinöses Ich/zurückweisendes Objekt. Die untrennbaren Ich-Objekt-Strukturen werden in diesem Modell verstanden als „ dynamische Strukturen, die aus einer Aufspaltung einer zu Beginn vorhandenen, einheitlichen dynamischen Ich-Struktur entstehen“ (ebd., S. 181). Während die Ich- Struktur im klassischen freudianischen Sinn in der zweiten Topik als Abkömmling des unstrukturierten Es betrachtet wird, fasst Fairbairn „das libidinöse Ich (das dem ‚Es‘ entspricht) als abgespaltenen Teil des ursprünglichen, dynamischen Ichs“ (ebd., S. 182) auf. Infolge der unterschiedlichen theoretischen Grundprinzipien sind die Theorie der endopsychischen Strukturen und Freuds Strukturmodell (ungeachtet methodologischer Ähnlichkeiten) nicht miteinander vereinbar. 3. 1943 schrieb Fairbairn, man könne behaupten, „daß sich die Psychologie zu einer Erforschung der Beziehungen gewandelt hat, die das Individuum zu seinen [äußeren] Objekten unterhält, während sich die Psychopathologie, analog formuliert, in erster Linie auf die Untersuchung der Beziehungen des Ichs zu seinen internalisierten Objekten spezialisiert hat“ (Fairbairn, 2007 [1943], S. 90; vgl. auch Fairbairn, 2007 [1941]). Die Divergenz von der klassischen Theorie zeigt sich auch hier in der Tatsache, dass die Objektbeziehungsperspektive nicht dem klassischen Kurs vom Trieb über die Phantasie zum Konflikt und zur Verdrängung folgt, sondern eine andere Sequenz mitsamt einer anderen Konfliktquelle vorsieht. Der Reifungsprozess an sich konstituiert den Kernkonflikt, in dem sich der tendenziellen Entwicklung zur Reife eine regressive Tendenz in der Bindung an die infantile Abhängigkeit entgegenstellt (Fairbairn, 2007 [1941], S. 68f.). Während das Psychopathologiemodell der klassischen Theorie auf der Vorstellung einer Regression zu verschiedenen Phasen der libidinösen Entwicklung beruht, richtet Fairbairn das Augenmerk auf die verschiedenen Abwehrmanöver („Techniken“), die im Verlauf des Reifungsprozesses zum Einsatz gelangen. Die Theorie der Psychopathologie wird von Fairbairn im Grunde von Anfang an mit Blick auf zwei zutiefst tragische Situationen konzeptualisiert, die mit der Spaltung des Ichs einhergehen. Sie betreffen (i) Personen, die überzeugt sind, ihre libidinösen Objekte durch ihre Liebe zu zerstören, und (ii) jene Menschen, die unter dem Zwang stehen, ihre libidinösen Objekte zu vertreiben, sie zu hassen und gehasst zu werden (vgl. Fairbairn, 2007 [1940, S. 54). Pathologische Zustände und Abwehrmechanismen werden von Fairbairn als Objektbeziehungen in verschiedenen Entwicklungsstadien und –phasen einschließlich früher und später oraler Fixierungen konzipiert, so dass
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