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Erkrankungen als Ausdruck eines Umweltversagens, das zu massiven Beeinträchtigungen führen kann: infantile Schizophrenie oder Autismus, latente Schizophrenie, das defensive falsche Selbst und die schizoide Persönlichkeit (Winnicott 1962a, S. 58f.). Infolge der Traumatisierung und der unzulänglichen Grundversorgung zu Beginn des Lebens aktivieren psychotische Ängste (oder „primitive Seelenqualen“, wie Winnicott sie nannte) eine Reihe von Abwehrmanövern („Reaktionen“), durch die der Säugling/das Kleinkind sein Kernselbst zu schützen versucht. Winnicott (1991 [1963c]) beschrieb diese primitiven Zustände in seinem postum veröffentlichten Beitrag „Fear of breakdown“ – „Die Angst vor dem Zusammenbruch“ - als: „1. Rückkehr zu einem unintegrierten Zustand. (Abwehr: Desintegration) 2. Ewiges Fallen. (Abwehr: Sich-selbst-Halten) 3. Verlust der psychosomatischen Verschmelzung, Versagen des In-sich- Wohnens. Insbesondere vertrat Winnicott hier die These, dass die psychotische Erkrankung „eine Abwehrorganisation“ sei, die sich gegen primitive, unerträgliche Seelenqualen richtet (ebd.). 3. Winnicott (1954) führte therapeutische Techniken ein, die einer Regression in Verbindung mit „einer üblichen Analyse, wie sie für die Bewältigung der depressiven Position und des Ödipuskomplexes konzipiert wurde“ (S. 294), zuträglich sind. Was die „übliche Analyse“ betrifft, so beteuerte er in seinem Beitrag „The aims of psychoanalytical treatment“, dass er „ständig die Position für die Standardanalyse“ ansteuere (Winnicott 1962b, S. 166). „Standardanalyse“ bedeutet für ihn, „mit dem Patienten von der Position aus zu kommunzieren, in die mich die Übertragungsneurose (oder –psychose) versetzt“ (ebd., S. 166). In dieser Position oder Situation ist der Analytiker für den Patienten ein subjektives Objekt und zugleich ein verlässliches inneres Setting, dem die Realitätsprüfung zugrunde liegt. Eine „modifizierte Analyse“ wiederum weist die wichtige Eigenschaft auf, dem Analytiker bewusst zu machen, dass er „als Psychoanalytiker arbeitet, statt Standardanalyse zu machen“ (ebd., S. 168). So schreibt Winnicott: „Ich führe eine Psychoanalyse durch, wenn die Diagnose besagt, dass die betreffende Person in ihrer Umwelt eine Psychoanalyse wünscht. Ich könnte sogar versuchen, eine unbewusste Kommunikation in Gang zu setzen, wenn der bewusste Wunsch nach einer Analyse fehlt. […] Wenn ich mit dem falschen Fall konfrontiert bin, werde ich zu einem Psychoanalytiker, der den Bedürfnissen dieses speziellen Falls gerecht wird oder gerecht zu werden versucht“ (ebd., S. 169). Darüber hinaus vertrat Winnicott die Ansicht, dass ein Analytiker, der die psychoanalytische Standardtechnik erlernt hat, für diese Art der nicht-analytischen Arbeiten bestens geeignet sei. (Abwehr: Depersonalisierung) 4. Verlust des Realitätssinns. (Abwehr: Ausbeutung des primären Narzißmus usw.) 5. Verlust der Fähigkeit zur Objektbezogenheit (Abwehr: autistische Zustände, Selbstbezogenheit).“ (S. 1119)
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