Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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depressiven Schuldgefühlen dient und stabilisierend wirkt, aber die Persönlichkeit gleichzeitig schädigt. Das Auftauchen der pathologischen/der Abwehr dienenden Organisation in der Analyse lässt sich wie folgt schematisch darstellen: Pathologische Organisation ↕ paranoid-schizoide Position ↔ depressive Position Eine pathologische Organisation entwickelt sich als Abwehrstruktur unter Bedingungen, die durch massives Umweltversagen und/oder exzessive Neidgefühle und Destruktivität der Persönlichkeit gekennzeichnet sind. Eine angemessene Integration guter und böser Objekte ist nicht erfolgt, weil statt der üblichen binären, für die paranoid-schizoide Position typischen Spaltung in „gutes“ und „böses“ Selbst und Objekt eine exzessive Fragmentierung stattgefunden hat und es zu einer Konfusion von Gut und Böse gekommen ist. Das Ergebnis kann ein unerträglicher psychotischer oder beinahe psychotischer Zustand sein, in dem die innere Welt sich mit verfolgenden und verwirrenden fragmentierten Objekten anfüllt. Die pathologische Organisation ermöglicht es Patienten, überwältigende persekutorische und depressive Ängste zu meiden, indem sie dem emotionalen Kontakt mit anderen Menschen und mit ihrer inneren wie auch äußeren Realität ausweichen. Sie wird dadurch aufrechterhalten, dass sich die fragmentierten und nicht klar voneinander unterschiedenen Partialobjekte zu einer perversen, hassgetränkten Struktur miteinander verbinden. Eine spezifische Form dieser Konfiguration ist die von Rosenfeld (1971) beschriebene „Gang“ oder „Mafia“. Eine solche Persönlichkeitsorganisation tritt in der Analyse oft in Träumen oder Assoziationen über kriminelle Banden zutage, die die „vernünftigen“ oder gesunden Persönlichkeitsanteile kontrollieren und einschüchtern und Schutz vor persekutorischer bzw. depressiver Angst verheißen. Die vermeintlich gesunden Teile dieser komplexen Struktur unterhalten allerdings mit hoher Wahrscheinlichkeit kollusive, perverse Beziehungen innerhalb der pathologischen Struktur. (Siehe auch den Eintrag CONTAINMENT: CONTAINER-CONTAINED.) In seinem späteren Werk über „psychische Rückzugsorte“ hat Steiner (1993) das Konzept der pathologischen Organisationen erweitert und ausgearbeitet. Hier zeigt er, dass solche Rückzüge ubiquitär sind und vielerlei Formen annehmen können, aber stets die Funktion haben, das psychische Gleichgewicht angesichts überwältigender Ängste aufrechtzuerhalten.

IV. B. Entwicklungen in der Unabhängigen Tradition

IV. Ba. Bollas: Transformationsobjekt Christopher Bollas (1997 [1987]) führte den Betriff „Verwandlungsobjekt“ [transformational object] ein und knüpfte damit an Winnicotts Konzept der „Umweltmutter“ an. Demnach ist die Mutter in der frühen Interaktion mit ihrem Säugling als Objekt weniger signifikant und identifizierbar denn als ein Prozess. Bevor sie „für den Säugling zu einer als Ganzobjekt wahrgenommenen Person“ (S. 40) wird,

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