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ist sie für ihn „eine Sphäre oder Quelle von Verwandlung“ (ebd.). Obwohl noch „nicht völlig als eine andere erkannt, wird die Mutter als ein Verwandlungsvorgang erlebt, und dieser Grundzug des frühen Daseins setzt sich im Erwachsenenleben in bestimmten Formen der Objektsuche fort, bei denen man das Objekt deshalb erstrebt, weil es ein Zeichen für Verwandlung ist“ (ebd., S. 26). Bollas erweitert das psychoanalytische Verständnis der Objektbeziehungen insbesondere im Hinblick auf die von ihm so bezeichnete „Integrität des Objekts“. Für ihn war es, so schreibt er, „erstaunlich, daß die ‚Objektbeziehungstheorie‘ der eigentlichen Struktur des Objekts so wenig Aufmerksamkeit widmet und daß sie das Objekt gewöhnlich nur als ein Gefäß für die Projektionen des Individuums ansieht. Gewiß tragen uns die Objekte in sich. Doch paradoxerweise wird die strukturelle Eigenart jedes einzelnen Objekts für uns gerade deshalb noch wichtiger, weil die Objekte unsere Projektionen beinhalten, denn wir geben uns einem Gefäß anheim, das uns, wenn wir es neuerlich erleben, je nach seiner natürlichen Integrität weiter prägen wird“ (Bollas 2000 [1992], S. 11f.). IV. Bb. Šebek: Totalitäres Objekt Michael Šebek (1996 1998) formulierte das Konzept der (inneren und äußeren) “totalitären Objekte” auf der Grundlage der psychoanalytischen Arbeit im totalitären kommunistischen Regime der Tschechoslowakei. Es hilft, die äußere totalitäre Macht mit intrapsychischen totalitären Kräften in Verbindung zu bringen. Letztere wurden partiell internalisiert und sind Teil der archaischen, unbewussten Psyche. Šebek erläutert, dass es in der gesamten Geschichte der Menschheit immer wieder totalitäre Regime und Tyrannen gegeben hat und dies für die Wahrscheinlichkeit spricht, dass totalitäre Objekte transgenerationell weitergegeben werden. Der „omnipotente“, „allwissende“ und „allmächtige“ Charakter dieser Objekte gibt laut Šebek einen primitiven Idealisierungsprozess zu erkennen – einschließlich des Rekurses auf den Totemismus, auf verschiedene Götter, Monarchen, Diktatoren, charismatische autoritäre Führer, politische extreme Bewegungen und Ideologien. Der destruktive, missbräuchliche Charakter des Objekts wird durch diese verschiedenen Formen der Idealisierung verborgen oder verschleiert. Šebek vertritt die These, dass totalitäre Objekte von Grund auf mehrdeutig seien: rettend und penetrierend (aggressiv), besitzergreifend und verfolgend, kontrollieren sie den inneren psychischen Raum. Das Ergebnis sind innere Unterdrückung und unfreie Existenz. Totalitäre Objekte blockieren also die Entwicklung zur Reife, unterstützen die Bildung dogmatischer Ideologien und beeinträchigten das spontane, kreative Denken. Šebek behauptet auch, dass jemand, der die Welt durch die Linse totalitärer – vorwiegend im unbewussten Ich untergebrachter - Objekte sieht, keine unabhängigen Objekte wahrzunehmen vermag, sondern lediglich solche, die zu seinem Besitz gehören oder die er manipulieren kann. Diese Objekte fungieren als Teil des abgespaltenen, destruktiven Selbst oder sind in einem strengen, sadistischen Über-Ich lokalisiert. Unter Umständen werden sie als Grundlage des paranoiden Denkens auch projiziert. Laut Šebek können die
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