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rasante Entwicklung der autonomen Ich-Funktionen, die sich vor allem durch bemerkenswerte Fortschritte des Spracherwerbs und durch das Auftauchen einer Realitätsprüfung bemerkbar macht. Geschlechtsunterschiede und Geschlechtsidentität treten ins Bewusstsein und interagieren mit dem Differenzierungsprozess. Während der Wiederannäherungsphase wird das Kind durch selektive Identifizierungen mit der kompetenten, toleranten, liebevollen Mutter für den allmählichen Verlust der infantilen Omnipotenz entschädigt (Blum, 2004b). Mahler betonte den Erwerb der Objektkonstanz (der voraussetzt, dass das Kind ambivalente Gefühle zu tolerieren vermag) sowie den Erwerb der Selbstkonstanz als abschließende Subphase der Separation-Individuation. Mit dieser Entwicklung erreicht das Kind im dritten Lebensjahr einen wichtigen Meilenstein. Die beiden vorrangigen Aufgaben dieser Phase sind der Aufbau eines stabilen Selbst- und die Entwicklung eines stabilen Objektkonzepts im Kontext sämtlicher Objektbeziehungen des Kindes (Greenberg und Michell 1983). Diese Errungenschaften ermöglichen es ihm, ein Gewahrsein seiner eigenen Individualität und der Anderen als einer inneren, positiv besetzten Präsenz aufrechtzuerhalten. Es kann eigenständig in Abwesenheit der Mutter/der Anderen funktionieren und beginnt, umfassender zu verstehen, dass sein eigenes Erleben und das der Mutter nicht identisch sind, dass die Mutter eine von ihm selbst getrennte Psyche besitzt und dass sie eigene Interessen und Absichten hegt. Weil das Kleinkind die Güte seiner Mutter und ihre Regulationsfunktionen mittlerweile internalisiert hat, fällt es ihm leichter, Trennungen, Versagungen und Enttäuschungen zu tolerieren. Seine Autonomie, Individuation, Getrenntheit und Eigenständigkeit entwickeln sich weiter. Es ist Mahler gelungen, die klassische Triebtheorie und die entwicklungspsychologische Objektbeziehungstheorie in ihrem Konzept der Symbiose, das sowohl eine in der Realität bestehende Beziehung als auch eine libidinös determinierte innere Phantasie erfasst, zusammenzuführen (Greenberg und Mitchell 1983). Mit ihrer Verwendung von Hartmanns Konzepten der „durchschnittlich zu erwartenden Außenweltbedingungen“ (Hartmann 1964 [1927]) und der Anpassung (Hartmann 1939) „gab sie dem Triebmodell eine Richtung, die der Beziehung zur Anderen implizit einen zentraleren Explanationswert einräumte“ (Greenberg und Mitchell 1983, S. 282). Um die „durchschnittlich zu erwartende“ Umwelt zu spezifizieren, berief sich Mahler wiederholt auf Winnicotts Konzept der „durchschnittlich hingebungsvollen Mutter“ (Mahler 1961; Mahler und Furer 1968; Winnicott 1960). Auf diese Weise setzte sie die frühe Umwelt des Kindes mit der spezifischen Person der Mutter in eins. Die Theorie der Separation-Individuation bezieht die reale Mutter und ihr Kind ebenso mit ein wie die Konzepte der Internalisierung und der psychischen Repräsentation. Sie setzt die analytisch orientierte Beobachtung zu intrapsychischen, entwicklungsbedingten Veränderungen in Beziehung: „Die intrapsychischen Veränderungen können eine Verschiebung der Ich-Grenzen betreffen, die Differenzierung von Selbst- und Objektrepräsentationen, die Kohärenz oder die Spaltung dieser Repräsentationen und den Erwerb der Objektkonstanz. Beide Partner
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