Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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er ein ursprüngliches, einheitliches Ganzes, das aus dem Baby und seinen Bezugspersonen besteht, und erklärt: „ Triebe, als psychische Triebkräfte verstanden, werden als solche durch Interaktionen innerhalb eines ursprünglich aus der (psychischen) Mutter-Kind-Einheit bestehenden psychischen Feldes organisiert “ (Loewald 1986 [1971], S. 109). Diese Sichtweise macht Loewald, der sich selbst als Ich-Psychologen verstand, für Französisch sprechende Analytiker in Kanada zum Repräsentanten eines „Dritten Modells“ des psychischen Geschehens (siehe unten, V. Be). V. Af. Sullivan Harry Stack Sullivan (1953, 1964), Gründer der durch und durch amerikanischen Interpersonalen Psychoanalyse, vertrat folgende Thesen: „Das Streben nach Sicherheit und die Befriedigung der Triebe hängen untrennbar miteinander zusammen. 2. Als geballte Kraft beeinflussen sie die auftauchenden interpersonalen Beziehungen und werden ihrerseits durch diese Beziehungen beeinflusst. 3. Was wir als das ‚Selbst‘ bezeichnen, ist nichts anderes als eine Ansammlung ‚reflektierter Beurteilungen‘ durch frühe Bezugspersonen. 4. Angst, eine Gefahr für die Sicherheit, kann nur in einem interpersonalen Kontext auftauchen. 5. Das Selbst bewahrt sich seine Integrität dank selektiver Aufmerksamkeit für jene Verhaltensaspekte, die Angst wecken können. 6. Zur Grundlage der Moralbegriffe wird die kindliche Wahrnehmung der Zustimmung bzw. Missbilligung der Eltern. 7. Die Sexualität ist eine wichtige, aber keine zentrale Motivationskraft des Lebens. 8. Psychopathologie resultiert aus einem eruptiven Hervortreten von Selbstzuständen, die zuvor dissoziiert waren und deren Äußerung Angst auslöst. 9. Die Behandlung sollte sich auf den relationalen Kontext der Angst konzentrieren. 10. Das bedeutet, dass eine aktive Beteiligung des Therapeuten wünschenswerter ist als eine lässige Anonymität. Die Gegenübertragung spielt in der Behandlung als Informationsquelle eine richtungweisende Rolle.“ (Akhtar 2009, S. 151) Im Allgemeinen heißt es, dass Sullivan den intrapsychischen Prozessen sowie den genetischen Grundlagen der Übertragung wenig Beachtung schenkt.

V. B. Moderne Entwicklungen

V. Ba. Kernberg Seit Ende der 1970er Jahre arbeitet Otto F. Kernberg eine Version der Objekteziehungstheorie im Rahmen von Freuds Strukturmodell und Hartmanns Ich- Psychologie aus. Er konzipiert die Objektbeziehungen als einen „essentielle[n] Ichorganisator“ (Kernberg 1981 [1976], S. 36) und die triadischen „Selbst-Objekt- Affekt-Einheiten“ als primäre Determinanten sämtlicher psychischer Strukturen (Es, Ich, Über-Ich). Auf der aktuellen Ebene seiner theoretischen Integration postulierte Kernberg (2004, 2015) einen allgemeinen Entwicklungsrahmen, der die in der Objektbeziehungstheorie wurzelnde psychoanalytische Entwicklungstheorie mit

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