Zurück zum Inhaltsverzeichnis
intersystemische Konflikte zwischen Triebstrebungen und Abwehrmechanismen, an denen alle drei Instanzen, also das Es, das Ich und das Über-Ich, beteiligt sind. Die von der Objektbeziehungstheorie beschriebenen intrapsychischen Strukturen konstituieren eine sekundäre intrapsychische Ebene der organismischen Organisation, der eine primäre neurobiologische zugrunde liegt. Man vermutet, dass primitive psychische Spaltungsmechanismen und deren Derivate auf subkortikalen, limbischen Entwicklungen getrennter positiver und negativer Affektsysteme beruhen und dass ihre Integration eine kortikale Verarbeitung des ursprünglich konsequent dissoziierten emotionalen Erlebens voraussetzt (Roth 2009). Unser heutiges Wissen über die frühe neurobiologische Entwicklung bestätigt die theoretischen Annahmen der psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie und kann entwicklungspsychologischen Annahmen über die Persönlichkeitsorganisation als neurobiologische Grundlage dienen (Gemelli 2008). Dass positive und negative Affekte auf den tieferen limbischen Ebenen strikt voneinander getrennt bleiben und nur auf der Ebene des präfrontalen, des präorbitalen und des anterioren cingulären Kortex – auf der die Verarbeitung affektiv- kognitiver Erfahrung stattfindet - integriert werden können, bestätigt die Grundannahmen der Objektbeziehungstheorie. Was die klinische Praxis betrifft, so vertieft der entwicklungspsychologische Bezugsrahmen der integrativen psychoanalytischen Objektbeziehungstheorie das Verständnis der multifaktoriellen Ätiologie schwerer (Borderline- )Persönlichkeitsstörungen u.a. dadurch, dass er der Interaktion von neurobiologischen Faktoren mit schweren Kindheitstraumata, die der Bindung abträglich sind, sowie der Symbolisierungs- und Reflexionsfähigkeit Rechnung trägt. Kernberg (2015) hat auch die modifizierte analytische Behandlung der Wahl für diese Störungen dargelegt, nämlich die von ihm so genannte „Übertragungsfokussierte Psychotherapie“ („transference focused psychotherapy“, TFP). TFP ist eine direkte Behandlung der Persönlichkeitsstruktur und zielt auf die Normalisierung der pathologischen Folgen einer unsicheren Bindung, auf die Normalisierung des Spiel-Bondings und der erotischen affektiven Systeme. TFP misst der von der Warte des „Dritten“ aus erfolgenden Deutung übertragungsbedingter Verzerrungen zentrale Bedeutung bei. (Siehe auch die Einträge KONFLIKT, ÜBERTRAGUNG.) V. Bb. Ogden Thomas Ogden (1989) entwickelte eine originäre, umsichtige Integration von Kleins und Bions Beiträgen (PS « D), indem er die Arbeit von Bick, Meltzer und Francis Tustin erweiterte und einen „primitiven, präsymbolischen, sensorisch dominierten Modus“ anerkannte, den er als autistisch-berührenden Modus bezeichnete:
„Die autistisch-berührende Position ist eine primitive psychische Organisation, die von Geburt an wirksam ist und die die elementarsten Formen menschlichen Erlebens gestaltet. […] Sie ist ein sensorisch dominierter Modus, bei dem sich ein Selbstgefühl in seinen allerersten Anfängen durch den Rhythmus der Sinneswahrnehmung […] bildet, insbesonders durch Sinneseindrücke der Hautoberfläche […]. Da der
438
Made with FlippingBook - Online magazine maker