Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

psychoanalytische Technik anlangt, einzig im Kontext der Dialektik zwischen dem Triebmodell einerseits und relationalen Modellen andererseits verständlich werden. Sie berücksichtigten in ihrer Untersuchung ganz unterschiedliche Autoren, z.B. Klein, Winnicott, Kernberg und Kohut, deren Gemeinsamkeit darin besteht, den Bindungen an Objekte und den Beziehungserfahrungen oder dem „relationalen“ Erleben vorrangige Bedeutung beizulegen. Im Anschluss an diese Veröffentlichung von 1983 entwickelte Mitchell (1988, 1993, 1997, 2000) den relationalen Ansatz weiter, indem er metapsychologische Probleme, den klinischen Prozess, Modelle des psychischen Apparates und den dyadischen Fluss der analytischen Arbeit erforschte. 1993 legte er in Hope and Dread die relationale Revolution dar: eine Revolution dessen, „was der Analytiker wusste (mit Anklängen an Lacan …) und eine Revolution dessen, was der Patient wollte (mit Anklängen an Ferenczi)“ (Harris 2011, S. 704). Indem Mitchell später erneut an Loewald anknüpfte und die frühe Entwicklung durch dessen Linse betrachtete, lenkte er die Aufmerksamkeit zunehmend auf jene Aspekte der zwischenmenschlichen Bezogenheit, die in den ersten Bindungsbeziehungen auftauchen. Zu den Grundkonzepten verschiedener relationaler Modelle zählen: 1. Zwei-Personen-Psychologien: Die Überlegung, dass die Psyche in der Matrix sozialer Beziehungen emergiert; die Psyche ist interpersonal und individualisiert zugleich. Vermittelt durch das Werk Emmanel Ghents (1990, 2002) wurden Winnicotts dyadische Theorien des Übergangsraumes und der Übergangsobjekte zu einer gewichtigen Komponente des relationalen Denkens. Psychoanalytiker und Forscher wie Beebe (Beebe und Lachmann 2005), Seligman (2003, 2005) und die Boston Change Process Study Group (Stern, Sandler, Nahum et al. 1998) formulierten diese Überlegungen auf der Grundlage ihrer Mutter-Kind-Beobachtungen. Die V. Bcb.Grundkonzepte relationalen Denkens Säuglingsforschung schuf die Voraussetzungen für ein Verständnis des frühen Beziehungslebens, und daraus ergaben sich Implikationen für die klinische Theorie und Technik der relationalen Psychoanalyse. Sie schlugen sich in Konzepten wie der „wechselseitigen Regulation“, der „Unterbrechung und Wiederherstellung“, der „hochaffektiven Momente“ (Beebe und Lachmann 2005) oder der transformativen Eigenschaften sogenannter „Jetzt-Momente“ (Stern et al. 1998) nieder. Weitere Beispiele für den konzeptuellen Reichtum der Zwei-Personen-Psychologien, die in den diversen relationalen Schulen entwickelt wurden, sind: Hoffmans (1998) zeitliche Dimension des Intersubjektiven und des Intrapsychischen sowie seine Konstruktion der Vergangenheit und der Zukunft entlang den Linien der sozialen Konstruktion gemeinsam geteilter und individueller Realitäten; Benjamins (1988, 1995, 1998) Arbeit über Komplementarität, unterschiedliche Formen des Dritten, die Dyade, die stets mehr ist als eine Zweiheit; und schließlich Donnel Sterns (2010) „Bezeugung“ im klinischen Prozess, ein Konzept, das die Fragilität, Instabilität und Ungewissheit der Grenzen innerhalb des interpersonalen und relationalen Kontextes des „Einander-Kennens“ beschreibt.

440

Made with FlippingBook - Online magazine maker