Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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zu deponieren. Der projizierte Selbstanteil wird dann als partiell verloren und als im Anderen befindlich empfunden. In Verbindung mit dieser unbewussten Projektionsphantasie findet eine interpersonale Interaktion statt, die auf den Empfänger Druck ausübt, sein Denken, Fühlen und Verhalten mit den ausgestoßenen Gefühlen und den Selbst- und Objektrepräsentationen, die in der Projektionsphantasie verkörpert sind, in Übereinstimmung zu bringen.“ (S. 1f.) Ogden hat die Bi-Direktionalität der projektiven Identifizierung zweifellos anerkannt und das Konzept eines analytischen Dritten entwickelt, das von Patient und Analytiker gemeinsam kreiert wird. Daran sind sowohl verarbeitete als auch unverarbeitete projektive Identifizierungen beteiligt. Jessica Benjamin (2004) hat ihre Version eines analytischen Dritten erarbeitet, das spezifisch für jede analytische Dyade ist und in dem das Ganze mehr ist als die Summe seiner Teile. Grotstein gilt in Nordamerika als derjenige, der Bions kommunikative projektive Identifizierung in den intersubjektiven Bereich eingebracht hat. Seine Formulierung gründet mit direkten klinischen Implikationen in einer Freud-Klein-Bion- Metapsychologie der unbewussten Kommunikation. Grotstein (2005) ist der Meinung, dass Bions Konzept der kommunikativen projektiven Identifizierung Kleins frühere unbewusste, omnipotente und intrapsychische Version umfaßt, und postuliert eine intersubjektive „projektive Trans identifizierung“. Der Operation einer unbewussten Phantasie der omnipotenten intrapsychischen projektiven Identifizierung ausschließlich in der inneren Welt des projizierenden Subjekts fügt Grotstein (2006 [2005]) zwei weitere Vorgänge hinzu: „(1) bewußte und/oder vorbewußte Modi der sensomotorischen Induktion und/oder Evozierung oder Techniken seitens des projizierenden Subjekts, um beim anderen etwas auszulösen (mental, körperlich, verbal, durch Posieren oder Anstoßen, ‚ihn zu etwas bringen‘), worauf (2) beim aufnehmenden Objekt, das bereits inhärent für eine empathische Reaktion ausgestattet (programmiert) ist, eine spontane empathische Simulation des Erlebens des Subjekts erfolgt“ (S. 172). Entwicklungspsychologisch betrachtet, induziert der Säugling oder der infantile Persönlichkeitsanteil unter dem Druck des sich aufbauenden emotionalen Distress einen symmetrischen Zustand in der vulnerablen, weil bereitwilligen Mutter, so dass diese unbewusst ihre eigenen früheren realen oder möglichen Erfahrungen in ihrem bewussten und unbewussten Selbst inventarisiert (selbst-aktiviert), die einschlägigen rekrutiert und sich daran anschließend durch Gedanken und/ oder Handlungen der Verzweiflung des Säuglings annimmt. Der wichtigste klinische Aspekt der intersubjektiven projektiven Transidentifizierung ist die (unbewusste) Kommunikation zwischen zwei psychischen Realitäten. Während des Analyseprozesses operieren die Vektoren der Transaktion projektiver Transidentifizierung ebenso wie die der Transaktionen zwischen Säugling und Mutter bi-direktional, d.h. das Objekt wird sofort zu einem Sender, und der projektive Sender wird daraufhin zu einem Empfänger – ein Dialog findet statt. Grotsein

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