Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

Zurück zum Inhaltsverzeichnis

betont, dass dieser sich entfaltende Dialog (einschließlich der Gedanken und Aktionen des Analytikers) vornehmlich die Deutung der Beteiligung des Analysanden und des vielschichtigen Austauschs umfasst. In diesem Kontext geht Grotstein auch auf Ogdens erfahrungsgestützte intersubjektive Konzeptualisierung des „dominierenden dritten Subjekts“ in der Psychoanalyse ein und postuliert seine eigene metapsychologische Version der übersinnlichen unbewussten Präsenz des „ nicht beschreibbaren Subjekts des Unbewussten “ (Grotstein 2000, S. 19), eines Dramaturgen (Schöpfers oder Architekten und Regisseurs des Dramas) oder Dämonen, „der sich nur im Unbewußten des Analysanden befindet [und] die Subjektivität des Analytikes zur Subjektivität des Analysanden [kooptiert], um ein Stück zu schaffen, in dem das relevante unbewußte Thema dargestellt und also erkannt werden kann“ (Grotstein 2000, zit. nach Grotstein 2006 [2005], S. 181). Stephen Mitchell (1995) verstand die projektive Identifizierung unter einem relationalen/ interpersonalen Blickwinkel und beschreibt den Vorgang als „eine Brücke zwischen dem Intrapsychischen und dem Interpersonalen“. Er betont, dass eine solche Perspektive berücksichtigen müsse, was zwischen Patient und Analytiker tatsächlich passiert, und das sie somit eine Zwei-Personen-Psychologie im eigentlichen Sinn konstituiere. Tansey und Burke (1989) beschreiben, wie projektive Identifizierungsprozesse einen wesentlichen Beitrag zur Entwicklung von Empathie leisten können. Während man die projektive Identifizierung mit der von Racker beschriebenen konkordanten Identifizierung und die Empathie mit der komplementären Identifizierung in eins gesetzt hat (siehe unten, Lateinamerikanische Beiträge), heben Tansey und Burke hervor, dass die Rezeption einer projektiven Identifizierung einen wesentlichen Aspekt genuin empathischen Verhaltens bilden könne, sofern sie vom Empfänger erfolgreich verarbeitet werde. Im Grunde, so betonen sie, „beinhaltet der empathische Kontakt, den Analytiker zum Patienten herstellen können, immer auch einen gewissen Grad an projektiver Identifizierung seitens des Patienten“ (S. 63). Diese relationalen Sichtweisen der projektiven Identifizierung betonen die kommunikativen Aspekte des Vorgangs und demonstrieren, dass „Enactments“ in der Psychoanalyse nur durch die Untersuchung der zwischen Patient und Analytiker hin und her oszillierenden projektiven Identifizierungen verstehbar werden. Slavin und Kriegman (1998) konzipieren Enactments unter dem Blickwinkel des interpersonalen Konflikts und seiner Bewältigung, die sie als elementar und evolutionär erachten. Sie konzipieren das intersubjektive Feld als einen Ort, an dem das Aufeinanderprallen der Identitäten von Patient und Analytiker die notwendigen Voraussetzungen für eine genuine Bearbeitung der inneren Repräsentationen des Patienten schaffen kann. Wenn die projektive Identifizierung als unvermeidlicher, normaler Kommunikationsaspekt verstanden wird, die zwangsläufig bi-direktional ist und sowohl bewusste als auch unbewusste Elemente enthält, verschiebt sich der Fokus der Untersuchung zwangsläufig vom Patienten oder vom Analytiker auf das von ihnen gemeinsam konstituierte Feld. Das Konzept eines bi-personalen, unteilbaren und sowohl

503

Made with FlippingBook - Online magazine maker