Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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PSYCHOANALYTISCHE FELDTHEORIEN UND KONZEPTE Tri-Regionaler Eintrag Interregionales Editorial Board: Roosevelt Cassorla (Lateinamerika), Andrea Celenza (Nordamerika) und Marie-France Dispaux (Europa) Interregionaler Koordinierender Chair: Eva D. Papiasvili

I. EINFÜHRUNG UND EINFÜHRENDE DEFINITION(EN)

Ebenso wie die meisten anderen psychoanalytischen Konzepte ist auch das Konzept des Feldes oder des analytischen Feldes aus vielen unterschiedlichen interdisziplinären kulturellen und psychoanalytischen Traditionen verschiedener Weltregionen hervorgegangen. In Lateinamerika beruhen die meisten modernen Feldtheorien und - konzipierungen auf dem Konzept des “psychoanalytischen Feldes” [campo psicoanalítico] als einer dynamischen Konfiguration der Dimension Intersubjektivität, definiert und beschrieben im Argentinian Psychoanalytic Dictionary (Borenszstejn, 2014). Das mittlerweile klassische Konzept wurde in den 1960er Jahren von Willy und Madeleine Baranger (1951-62, 1964, 1966) geprägt und wird von zeitgenössischen Theoretikern als Makrokonzept sowie als Beispiel für einen komplexen konzeptuellen Gedanken verstanden (Kancyper 1998). In der Praxis der Barangers (1993) tauchte diese komplexe Konzipierung als Möglichkeit auf, die Kristallisation des Zeitflusses zu vermeiden und eine potenzielle psychische Veränderung anzuregen. Der Einfluss von dergestalt definierten Feldern manifestiert sich im analytischen Prozess oder in dessen Ausbleiben, und das Feld wird sichtbar, wenn gedanklicher Inhalt und Affektinhalt in der intersubjektiven Dynamik verlorengehen. Dann entsteht eine Struktur, die als “Bastion” bezeichnet wird, und in den extremsten Fällen ein “Parasitieren” (Baranger, Baranger und Mom 1978). Im Gegensatz zu anderen Sichtweisen des “Feldes” in der analytischen Situation, die zur Theorie der Behandlungstechnik beigetragen haben, ist das von den Barangers beschriebene Feld durch das Vorliegen der von ihnen so genannten “unbewussten Grundphantasie in der intersubjektiven Dynamik” charakterisiert, eine originäre und wiederkehrende Struktur, auf deren Grundlage die Übertragungen und Gegenübertragungen des Feldes von den Mitgliedern der analytischen Dyade entwickelt werden. Die unbewusste Grundphantasie “übersetzt” und “produziert” (M. Baranger 2004). Diese Phantasie ist ein gemeinsam geteiltes “Ensemble von Phantomen” (Baranger, Campo und Mom 1970), das die Geschichte, die Identifizierungen und

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