Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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auf eine italienische Konzipierung des Feldes als Begegnung, die von dem italienischen Psychoanalytiker Franceso Corrao entwickelt wurde. Corrao (1985) definierte das Feld als Produkt der Begegnung zwischen der inneren Dynamik des Patienten und der des Analytikers bzw. als Produkt einer Art von „Big Bang“, zu dem es immer dann kommt, wenn das analytische Paar zusammentrifft und eine Einheit bildet, wo zuvor zwei getrennte innere Welten waren. In Nordamerika wurde das Feldkonzept maßgeblich geprägt durch den Einfluss unterschiedlicher außeranalytischer Denktraditionen, die den Kontinent zum Teil mit der Einwanderung so vieler Theoretiker und Kliniker erreichten, die vor der Katastrophe des Zweiten Weltkriegs und der Naziverfolgung geflüchtet waren. Andere Einflüsse entstammen nordamerikanischen Traditionen der Philosophie und Sozialanthropologie. Was die modernen nordamerikanischen psychoanalytischen Wörterbücher betrifft, so enthält Salman Akhtars (2009) Comprehensive Dictionary of Psychoanalysis den Eintrag “Bipersonal Field”, definiert als “zeitlich-räumlicher Raum, in dem die psychoanalytische Interaktion stattfindet” (S. 37). Dieses Konzept wurzelt im Werk von Madeleine und Willy Baranger (1966), das von Robert Langs (1976, 1979) weiterentwickelt wurde: “Das Feld enthält beide Teilnehmer und verkörpert Interaktions- wie auch intrapsychische Mechanismen. In jedes Ereignis im Feld gehen Beiträge beider Teilnehmer ein” (Akhtar 2009, S. 37). Langs’ Weiterentwicklung betrifft in erster Linie die “Grundregeln” der psychoanalytischen Situation, die die Kommunikationseigenschaften des Feldes sowohl einschränken als auch erweitern, sowie seine damit zusammenhängende Spezifizierung von drei Formen des “interaktionalen-kommunikativen Feldes”: im Feld des Typs A sind symbolische Kommunikation und Illusionsbereich möglich; im Falle von Typ B dominieren projektive Identifizierung und Handeln, und im Falle von Typ C ist jede Kommunikation zerstört, und das Feld ist jeder Bedeutung entleert (ebd., S. 37). In Elizabeth L. Auchincloss’ und Eslee Sambergs (2012) Psychoanalytic Terms and Concepts taucht das Feldkonzept in den Einträgen „Intersubjectivity“, „Relational Psychoanalysis“ und „Interpersonal Psychoanalysis“ auf. Hier steht das von der phänomenologischen Philosophie und dem Kontextualismus hergeleitete, an der Schnittstelle der beiden Subjektivitäten verortete und durch das Zusammenspiel von Übertragung und Gegenübertragung erzeugte „intersubjektive Feld“ von Robert D. Stolorow, Bernard Brandchaft und George E. Atwood (1987) im Zentrum des gesamten psychoanalytischen Rahmens und der psychoanalytischen Untersuchung (Auchincloss und Samberg 2012, S. 122). Das „interpersonale Feld“ Donnel Sterns (1997), das auf Harry S. Sullivan zurückgeht und u.a. von Erich Fromm und Sándor Ferenczi beeinflusst wurde, hängt mit der potenziellen „unformulierten Erfahrung“ zusammen; die explizite Form, die eine solche Erfahrung annimmt, hängt hier von der Beschaffenheit des „interpersonalen Feldes“ ab, in dem die Formulierung der Erfahrung stattfindet. In seinen späteren Schriften, so Auchincloss und Samberg (2012, S. 119), erweiterte Stern (2019) diese Überlegungen auf den Bereich der Enactments.

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