Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Gruppenprozess. Lewins frühe Mitarbeit hat die Richtung der Gruppenfeldforschung am Tavistock Institute maßgeblich beeinflusst (Neumann 2005). Wertheimer wanderte nach New York aus, war als Professor an der New School for Social Research tätig und arbeitete mit dem Anthropologen Franz Boaz an der Columbia University zusammen. Zu seinen Studenten zählten Ruth Benedict, Margaret Mead und der Linguist Edward Sapir . Benedict erforschte insbesondere die Muster der interdependenten Beziehungen zwischen Denken und Handeln, die die „Gestalt“ einer gegebenen Kultur konstituieren. Statt einer Auflistung von Sitten und Eigenschaften müsse man, so Benedict (1934), die gesamte Konfiguration oder das Feld einer Kultur untersuchen und Beziehungsmuster identifizieren (S. 50). Mead machte Edward Sapir, dem zufolge die Gestaltpsychologie „als Hintergrund einer Philosophie der Kultur dient […] als Echo, das mir sagt, was laut auszusprechen meine Intuition nie den Mut hatte“, mit Koffkas Arbeit bekannt (King und Wertheimer 2005, S. 300). Sapir (1929) war ein brillanter Feldforscher, dessen Methoden zur Untersuchung der Dialekte der Native Americans auch die Beeinflussung der Probanden durch den Forscher berücksichtigten. Er erforschte die Beziehungen zwischen verbalem Ausdruck (Phonemen), Denken und Persönlichkeit bei der Konstituierung von Kultur als einem dynamischen System und die Sprache an sich als einen Akt der Bezogenheit. Sein Interesse daran, wie Individuen sich innerhalb ihrer Kultur verändern, veranlasste ihn zu interdisziplinären Studien. Daraus entwickelte sich ab 1926 eine Zusammenarbeit und eine Freundschaft mit Harry Stack Sullivan. Dieser hatte in seiner eigenen Feldforschung und seinem Pilotprojekt am Sheppard Hospital bereits Erfahrungen gesammelt, aber seinen sich entwickelnden Ideen fehlte es an einem größeren theoretischen Kontext. Diesen fand er bei Sapir und dessen Kollegen von der Chicago School, die ihm halfen, eine Kritik des Individualismus zu formulieren und seine psychiatrische Forschung mit den Sozialwissenschaften zusammenzuführen (Conci 2010). George Herbert Mead hatte seinen Kollegen Sapir an die University of Chicago geholt, wo John Dewey bereits erfolgreich seine pragmatische Konzipierung der Psychologie und Sozialtheorie ausarbeitete. Dewey (1896), Schüler von Josiah Royce und C.S. Peirce, hatte in seinem Artikel „The Reflex Arc Concept in Psychology“ gegen ein lineares Reiz-Reaktionsmuster argumentiert und eine „zirkuläre“ Beschreibung befürwortet, dergemäß die Bestimmung der Beziehung zwischen Reiz und Reaktion situationsabhängig ist. Auch Mead hatte infolge seines Studiums bei William James einen entschieden pragmatischen Hintergrund. Ebenso wie die Gestaltpsychologen lehnten diese Vertreter des Pragmatismus kausale und reduktionistische Erklärungen zugunsten einer Beschreibung realer Erfahrung ab und untersuchten die Entwicklung des Selbst in der Objektivität der sozialen Welt. Für Mead (1982) „kann die individuelle Psyche nur in Beziehung zu anderen Psychen mit gemeinsam geteilten Bedeutungen existieren“ (S. 5). Bedeutung wird durch menschliche Aktion und Interaktion geschaffen, und das Selbst taucht in einem sozialen Prozess auf.

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