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psychischen Lebensgeschichte des Patienten, die in Zusammenarbeit mit dem Analytiker entsteht und bei der er die Regie führt.“ (S. 343) Gemeinsam erzeugen Patient und Analytiker Illusion in der Übertragungsneurose. Der Patient übernimmt die Führung in diesem dramatischen Spiel, seiner Phantasieschöpfung. Die Aufgabe des Analytikers ist vielfältig. Er ist nicht nur der Regisseur, sondern repräsentiert auch unterschiedliche Figuren aus dem Leben des Patienten. Patient und Analytiker sind Koautoren dieses Dramas, das als Phantasie und als Realität zugleich erlebt wird. Statt die Rollen lediglich zu übernehmen, spiegelt der Analytiker sie dem Patienten wider. Dadurch findet dieser Zugang zu seinem inneren Leben und kann nach und nach selbst die Regie übernehmen. Aristoteles’ „Nachahmung von Handlung in der Form von Handlung“ wäre, psychoanalytisch formuliert, sowohl Reinszenierung als auch Wiederholung. Schafer (1982), ein Zeitgenosse und Kollege Loewalds, war ebenfalls der Meinung, dass man mannigfaltige Selbstnarrative oder „Handlungsstränge“ als Variationen einer Ausgangsgeschichte, die der Analysand mit dem Analytiker auslebt, ansehen könnte (zum Beispiel Dramen von Gefangenschaft, Wiedergeburt oder ödipaler Rivalität). Sandler (1976) lenkte die Aufmerksamkeit auf die wechselseitige Induzierung der Mitglieder der Dyade und die spontanen Reaktionen des Analytikers auf unbewusste Stimuli des Patienten. Sandler bezeichnete diese Reaktionen als Rollenresponsivität. Im Laufe der Zeit wurde das Konzept des Enactments immer geläufiger. In der psychoanalytischen Literatur mehrten sich Diskussionen über das Thema (McLaughlin 1991; Chused 1991; Roughton 1993; McLaughlin und Johan 1992; Ellman und Moskovitz 1998; Panel 1999). Manche Autoren ersetzten acting out durch Enactment , doch wir sollten nicht vergessen, dass acting out dem Deutschen agieren entspricht. Freuds (1914) Hinweis: „[…] so dürfen wir sagen, der Analysierte erinnere überhaupt nichts von dem Vergessenen oder Verdrängten, sondern er agiere es“ (GW, S. 129) , wurde von Strachey wie folgt ins Englische übersetzt: „[T]he patient does not remember anything of what he has forgotten and repressed, but acts it out“ (SE, S. 149). In manchen psychoanalytischen Kulturen zeichnete sich die Tendenz ab, den Begriff acting out auf mehr oder weniger gelegentliche, impulsive Handlungen zu beziehen, die quasi in die erwartete freie Assoziation einbrechen, und das Konzept des Agierens auf diese Weise zu begrenzen. Gleichzeitig begann man, den Terminus für typische Verhaltensweisen impulsiver und psychopathischer Persönlichkeiten zu benutzen. Die moralisierenden Konnotationen von acting out kontaminierten sowohl die psychiatrische als auch die juristische Terminologie. Die Ersetzung des Begriffs acting out durch Enactment sollte Klarheit in das konzeptuelle Durcheinander bringen und die pejorativen Aspekte aus der Welt schaffen. In seiner juristischen Bedeutung bezeichnet der Terminus Enactment das Inkrafttreten eines Erlasses oder einer Verordnung, der Folge zu leisten ist. Das psychoanalytische Konzept enthält auch diese Bedeutung. Per definitionem sind an
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