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Felder, die zwischen Innenwelt/Verbundenheit/Außenwelt vermitteln. Er kehrt letztlich zum Figur-Hintergrund-Konzept zurück, wenn er sagt, die Gestaltpsychologie lehre uns, „daß eine Figur auf einem Untergrund das Einfachste ist, was uns sinnlich gegeben zu sein vermag. […] [Damit definiert sie] das Wahrnehmungsphänomen als solches; sie bestimmt die notwendige Bedingung, unter der überhaupt ein Phänomen als Wahrnehmung angesprochen zu werden vermag. Stets liegt das ‚Etwas‘ von Wahrnehmung im Umkreis von Anderem, stets ist es Teil eines ‚Feldes‘.“ (S. 22) Gestalten haben einen Kontext, und ohne Kontext haben wir keine Gestalt. Dies gilt für physikalische Systeme, doch Merleau-Ponty (1942) behauptete, dass die Systeme der Naturwissenschaften nicht die Grundlage seien, auf der wir ein analoges Verständnis eines phänomenalen Feldes konzipieren können (S. 142). Vielmehr ist die Wahrnehmung selbst der Hintergrund; verkörperlichte Erfahrung dient als organisierende Struktur, von der aus wir die Gesetzmäßigkeiten der Natur entdecken und untersuchen, die dann wiederum Licht auf unsere eigene Struktur werfen. Diese Sichtweise betont nicht nur die strukturelle Interdependenz von Gestalt und Feld, sondern bringt den Wahrnehmenden in den kreativen Prozess des Wahrgenommenen ein. Der Wahrnehmende ist Teil des Feldes. Das Erfahrungsobjekt ist vom erfahrenden Subjekt nie geschieden. Anders formuliert, Wahrnehmung oder Erfahrung sind immer situiert. Wir befinden uns in bedeutungshaltigen Situationen, die wir prägen und die uns prägen. Merleau-Ponty betonte eine phänomenologische Definition der Struktur, die an die Stelle des Begriffs „Gestalt“ tritt. Struktur wurde als Beziehung von Bestandteilen betrachtet, die das Ganze konstituieren; d.h. die Beziehung konstituiert die Bedeutung des betreffenden Phänomens. Die Psychoanalyse war für Merleau-Pontys Denken während seiner gesamten Laufbahn eine faszinierende Folie. So schrieb er: „Die Übereinstimmung von Phänomenologie und Psychoanalyse ist nicht so zu verstehen, als ob ‚Phänomen‘ klar ausspräche, was die Psychoanalyse verworren ausgedrückt hätte. Die Phänomenologie steht im Gegenteil im Einklang mit der Psychoanalyse durch das, was sie an ihrer Grenze untergründig andeutet oder enthüllt - durch ihren latenten Inhalt oder ihr Unbewusstes . […] Phänomenologie und Psychoanalyse verlaufen somit nicht parallel; es steht noch viel besser: sie sind beide auf dieselbe Latenz ausgerichtet.“ (Merleau- Ponty 2000 [1960], S. 330f.). Interessanterweise benutzte Merleau-Ponty das Figur-Grund-Konzept (d.h. das Feldkonzept), um das unbewusste Geschehen zu formulieren. Um uns selbst zu kennen, sind wir auf eine gewisse Distanz angewiesen, die wir aber selbst gar nicht herstellen können: “Es ist nicht etwa so, dass ein Unbewusstes uns einen Streich spielt; das Problem der Mystifizierung rührt daher, dass jedes Bewusstsein privilegiertes Bewusstsein einer ‚Figur‘ ist und den ‚Grund‘ zu vergessen neigt, ohne den sie
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