Zurück zum Inhaltsverzeichnis
Der Fokus der Untersuchung der bipersonalen Beziehung liegt auf ihren unbewussten Aspekten. Als Hintergrund dient die Untersuchung der gegenübertragungsbedingten Beteiligung des Analytikers, wie Racker, Heimann und Money-Kyrle sie konzipiert haben (de Leon de Bernardi 2008). Die Barangers folgten partiell Heimann, indem sie die Gegenübertragung als globales Phänomen und als wertvolles technisches Instrument betrachteten – Entwicklungen, die in Buenos Aires bereits von Racker formuliert worden waren. Während aber Klein und sogar Heimann Übertragung und Gegenübertragung unter dem intrapsychischen Blickwinkel von Patient und Analytiker betrachtete, legten die Barangers den Akzent von Anfang an auf den Beitrag des Analytikers. Ganz ähnlich wie Racker (1948) untersuchten sie nicht nur die rezeptive Eigenschaft der Gegenübertragung, sondern auch ihre neuen, durch die analytische Beziehung hervorgebrachten Aspekte. Ihre zentrale Hypothese lautete, dass in der analytischen Situation neuen Strukturen (Gestalten) und gemeinsame Phantasien auftauchen, die sie als Produkte des Zusammenspiels der wechselseitigen Identifizierungen von Patient und Analytiker ansahen. Die Transformation dieser Phantasien erzeugt die Dynamik des analytischen Feldes. Diese Sichtweise wich von dem Eine-Person-Ansatz jener Zeit radikal ab: „Die Grundphantasie der Sitzung ist nicht bloß das Verstehen der Phantasie des Patienten durch den Analytiker, sondern etwas, das innerhalb einer Paarbeziehung aufgebaut wird.“ (Baranger und Baranger 2018 [1961-62], S. 754). Und diese Phantasie „besteht aus dem Wechselspiel von projektiven und introjektiven Identifizierungsprozessen und aus den Gegenidentifizierungen, die mit ihren jeweils unterschiedlichen Grenzen, Funktionen und Eigenheiten im Patienten und im Analytiker wirken“ (ebd., S. 759). Das Konzept der Grundphantasie geht auf mehrere Quellen zurück. Die erste ist Susan Isaacs’ „strukturelle Konzipierung“ der Phantasie als Ausdruck der unterschiedlichen Aspekte des psychischen Lebens (Triebstrebungen, Empfindungen, Abwehrmechanismen). Weitere Quellen sind Kleins Überlegungen zur projektiven Identifizierung und Bions Konzipierung der Grundannahmen in Gruppen (M. Baranger 1992), die Anwendung auf psychoanalytische Gruppenpsychotherapie gefunden haben, deren Praxis sowohl in Argentinien als auch in Uruguay weiterentwickelt wurde. Die Sitzung ist der Schauplatz, auf dem primitive Objektbeziehungen ausgelebt werden. Das Konzept der Phantasie verleiht dem analytischen Feld eine „Als-ob“- Dimension der „essenziellen Mehrdeutigkeit“ seiner funktionalen, räumlichen und zeitlichen Aspekte. Die manifeste Dimension der analytischen Beziehung steht in einem dialektischen Verhältnis zu den phantasierten unbewussten Aspekten. Der Fokus der Deutung des Analytikers ist somit auf Übertragungs- und Gegenübertragungsaspekte in der augenblicklichen Beziehung zum Analytiker gerichtet. Diese Auffassung resultierte aus der kritischen Auseinandersetzung mit den Positionen Freuds und Kleins und der Übernahme wesentlicher Aspekte ihrer Beiträge. Die Barangers lehnten Freuds „archäologische“ Tendenz mit der Begründung ab, sie könne einer historisch-geologischen Sicht der Evolution und Fixierung der Libido Vorschub leisten (M. Baranger und W. Baranger 2018 [1961-62], S. 763). Sie teilten
537
Made with FlippingBook - Online magazine maker