Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Kleins Ansicht, dass die Übertragungsbeziehung archaische Erfahrungen aktiviert, die in der gegenwärtigen Beziehung zur Analytikerin gedeutet werden müssen, betonten aber zugleich, dass der Beitrag der Gegenübertragung des Analytikers und dessen aktive Teilnahme von wesentlicher Bedeutung seien. Sie hoben „den tiefen Kontakt zu einer Person und die gänzlich andere Struktur“ hervor, „die zwischen dieser Person und uns hergestellt wird“ (ebd., S. 755). Diese Struktur unterscheidet sich radikal von dem je individuellen Input der beiden Beteiligten. Die Barangers beriefen sich auf Susan Isaacs (1948), der zufolge die primitivsten Ebenen dieses Kontakts (primäre Phantasien) durch nonverbale Kommunikationsformen ausgedrückt werden: durch emotionale Erfahrungen, andere Reaktions- und Handlungsweisen sowie durch die Körpersprache, die sich zwischen Patient und Analytiker entwickelt. Hier diktiert die „Logik der Emotion“ die Deutungsprozesse und die Schlussfolgerungen aus Gegenübertragung und Übertragung. Das emotionale Erleben des Analytikers und seine Lebenserfahrung sowie seine Flexibilität in partiellen und konkordanten Identifizierungen mit dem Patienten (Racker 1957) ermöglichen es, den „Dringlichkeitspunkt“, den unmittelbarsten Ausdruck der unbewussten Aspekte des Patienten, zu bestimmen. Gleichzeitig wird der Eindruck höherer oder weniger hoher Dringlichkeit in dem Maße reguliert, in dem der Analytiker die paranoiden oder depressiven Ängste des Patienten erfasst. Unbewusste Aspekte finden Ausdruck in verschiedenen Manifestationen der Angst und in „stereotypen Erlebens- und Verhaltensschemata“ (M. Baranger und W. Baranger 2018 [1961-62], S. 766). So schreiben die Barangers: „Der durch die Grundregel begünstigte Gebrauch der projektiven Identifizierung von Seiten des Patienten erlaubt ihm die Reaktualisierung von Reaktionsmustern, die auf unbewältigte Situationen aus seiner Vergangenheit zurückgehen“ (ebd., Übers. geändert, E.V.). Phänomene wie die „Bastion“ geben kristallisierte und dissoziierte Aspekte der Psyche und deren primitivste Abwehrmechanismen zu erkennen, die sich dem Prozess der verbalen freien Assoziation entziehen und stumm operieren. Manchmal finden die Erzählung und der Abruf von Erinnerungen parallel zur Existenz eines kristallisierten Abwehrkerns statt, der von der scheinbar voranschreitenden Analyse abgespalten scheint. Der Zusammenbruch der Bastion löst im Patienten intensive, katastrophische Gefühle aus. Die Autoren betrachteten die Bastion zunächst vorwiegend unter dem intrapsychischen Blickwinkel, erwähnten aber schon bald ihr Auftauchen in der Analyse einer stabilen, komplexen und reziproken Struktur, die die Tendenz hat, „im Feld eine bestimmte Konfiguration hervorzubringen, die wiederkehrende unbewusste Phantasien auftauchen lässt. Diese Konfiguration ist sehr komplex, da sie reziproke Äußerungen aller psychischen Instanzen des Patienten sowie den Standort seines Ichs, des Es, Überichs, innerer Objekte an verschiedenen Stellen des Feldes enthält, jeweils mit bestimmten Funktionen“ (ebd., S. 770f.). Die Beeinflussung durch Rackers (1957) „komplementäre Gegenübertragung“ und Kleins „projektive Identifizierung“ sowie Grinbergs (1957) „Gegenidentifizierung“ scheint durch, wenn es weiter heißt, dass „die Verbindung

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