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Übertragungs-Gegenübertragungsneurose dazu neigt, einen rein repetitiven granitartigen Block zu bilden und den analytischen Prozess völlig zu paralysieren“ (M. Baranger und W. Baranger 2018 [1961-62], S. 771). Solche Überlegungen im Zusammenhang mit der „Bastion“ kommen Joseph Sandlers (1976) späterem Konzept der „Rollenresponsivität“ und modernen Entwicklungen im Verständnis von Enactments nahe (de Leon de Bernardi und Bernardi 2005; Cassorla 2005). In weiteren Beiträgen von 1979 und 1982 wurde die Bastion dann als eine durch Patient und Analytiker gebildete Abwehrformation des Feldes betrachtet (M. Baranger, W. Baranger und Mom 1982). Damit wird die Einsicht des Analytikers in seine eigenen komplementären Reaktionen auf das unbewusste Beziehungsverhalten des Patienten, die schweigend, durch die analytische Interaktion, agiert werden, zu einem der wichtigsten Faktoren für die Weiterentwicklung einer Analyse. Angesichts der Regressionserfahrungen, die mit der Entwcklung und Analyse der Gegenübertragungs-Mikroneurose einhergehen, ist die Deutung eine Möglichkeit der „doppelte[n] Befreiung“, d.h. einer Befreiung sowohl des Analytikers als auch des Patienten. Die Autoren greifen das Thema der Feldbeobachtung in seinen zwei Aspekten, der Selbstbeobachtung und der Heterobeobachtung des Patienten sowie der sich entwickelnden Interaktionsarten, wieder auf. Indem der Analytiker affektive Spannungen reguliert, bemüht er sich um eine gewisse „Durchlässigkeit“ (M. Baranger und W. Baranger 2018 [1961-62], S. 772), um den Patienten in seiner Selbstbeobachtung und Beobachtung der Einheit des Feldes unterstützen zu können. Im Laufe der Sitzung muss der Analytiker in der Lage sein, einen „zweiten Blick“ auf ebendiese Sitzung und den sich entfaltenden Prozess zu werfen. In der Arbeit von 1961- 62 wird die Deutung als Teil eines dialektischen Prozesses verstanden. Dem liegt die Freud’sche Annahme einer unbewussten Kommunikation zwischen den psychischen Systemen zugrunde. Dies ähnelt Pichon Rivières Konzept des „spiralförmigen Prozesses“, also einer dialektischen Spiral zwischen „Hier, Jetzt, bei mir“ und „Dort und Damals“. Der Deutungsprozess wird als eine sequentielle, progressive Spirale gesehen, die sich, ausgehend von einem Dringlichkeitspunkt, dem Indikator eines unbewussten Aspekts des Patienten, zu Deutung und Einsicht erweitert und zur Restrukturierung des Feldes führt. Dies illustriert den retrospektiven und prospektiven Charakter der Deutung. Der Analytiker ist ein „transaktionelles Objekt“ (ebd., S. 778) zwischen der realen und der phantasierten Welt, d.h. „eine Leinwand mit doppelter Projektion“ (ebd.). Darüber hinaus soll die Deutung unterschiedliche Dimensionen, vor allem sensorische und körperliche Empfindungen, des partiell dissoziierten primitiven Erlebens dialektisch integrieren und „die immer existierende Gefahr der Intellektualisierung“ (ebd., S. 779) vermeiden. Deutung wird hier in Anlehnung an Luisa Álvarez de Toledos (1954) Überlegungen zur Sprache der Deutung und zu den Eigenschaften analytischer Kommunikation als eine psychoanalytische Kommunikation verstanden. Diese Sichtweise der Deutung bleibt in den folgenden
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