Enzyklopädisches Psychoanalytisches Wörterbuch der IPV

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Psychologie. In einer partiellen Neuformulierung seiner früheren Auffassung des analytischen Feldes schreibt er (1979): „Es ist keine Frage von zwei Körpern oder zwei Personen, sondern von zwei gespaltenen Subjekten, deren Spaltung aus einer initialen Triangulierung resultiert. Daher wäre es korrekt, von einem ‚intersubjektiven Feld‘ zu sprechen“ (S. 30). Lacans Überlegungen zum Platz des Analytikers in der symbolischen Welt, der sich strukturell von dem des Patienten unterscheidet, hat die Bedeutsamkeit, die Willy Baranger zu diesem Zeitpunkt der Funktion der analytischen Asymmetrie des analytischen Feldes beilegte, wahrscheinlich beeinflusst. Er arbeitete auch das Konzept des „zweiten Blicks“ weiter aus, der die Einheit des Feldes in solchen Momenten erfasst, in denen der Analytiker Stolpersteine wahrnimmt. Auch Lacans Postulat des schwindenden und punktuellen Subjekts veranlasste sowohl Willy Baranger (1979) als auch Madeleine Baranger (1992), sich den mit dem Transformationspotential der Deutung zusammenhängenden Fragen, die sie in ihren Artikeln aus den 1960er Jahren allzu optimistisch betrachtet hatten, erneut zuzuwenden. Gleichwohl bestätigt Willy Baranger in seiner Revision von 1979 wesentliche Punkte der Formulierungen von 1961-62. Zum Beispiel vermutet er, dass die Bastion die Grundlage einer negativen therapeutischen Reaktion sein könnte, einer Sackgasse, die Ursache einer Nicht- Analysierbarkeit, der Grenzen des analytischen Prozesses, des Eindrucks des Analytikers, dass der Patient wie ein „Parasit“ oder ein „perverser sado-masochistischer Komplize“ sei. Diese Überlegungen wurden 1982 von den Barangers zusammen mit Mom und 1992 von Madeleine Baranger weiterentwickelt. Am Konzept der Spaltung hat Willy Baranger stets konsequent festgehalten. Im Dialog mit Serge Leclaire (W. Baranger 1972) hob er die Punkte hervor, in denen er sowohl von Lacans als auch von Leclaires Denken abwich: “Unserer Ansicht nach wirkt die Analyse, indem sie die inneren Objekt des Patienten modifiziert, die Spaltung der Person reduziert und die Integration verbessert […]. Hingegen betrachtet Leclaire die Spaltung als Existenzbedingung des Subjekts” (W. Baranger 1972 , S. 34, 35). Sowohl Willy als auch Madeleine Baranger hielten am situations- und kontextbezogenen, dialektischen Ansatz ihrer frühen Beiträge fest. Ihr dialektisches Verständnis der Kommunikation zwischen den psychischen Systemen und deren Integration als Ziel der Analyse stand im Einklang mit freudianischen wie auch kleinianischen Theorien , wicht aber von Lacans Konzipierung des Unbewussten als radikal exzentrisches und vom Ich grundverschiedenes ab. Die von den Barangers vertretene dialektische Sichtweise der unbewussten Kommunikation im Feld bildete den Hintergrund weiterer wichtiger Entwicklungen (Acevedo de Mendilaharsu 1995; Ogden 1994). Die Barangers widersprachen auch Lacans Theorie, dass das Unbewusste wie eine Sprache strukturiert sei, und maßen den nonverbalen, manchmal stummen oder agierten Äußerungen der emotionalen und physischen Aspekte der analytischen Kommunikation weiterhin große Bedeutung bei. In diesem Sinn blieben sie ihrem phänomenologischen Ansatz der 1960er Jahre treu – im Widerspruch zu den in der Region einflussreichen strukturalistischen (post-lacanianischen) Richtungen, für die der verbale Signifikant der Deutung vorrangige Bedeutung besitzt. Sie hielten an der

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